Zusammenfassung
Die Vollkostenrechnung ist ein Kostenrechnungssystem, bei dem die gesamten („vollen”) Kosten auf die Produkte verrechnet werden. Die Vollkostenrechnung mit ihrer typischen Abfolge von Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung gilt als das traditionelle System der Kostenrechnung und ist auch heute noch am häufigsten in der Praxis anzutreffen.
1 Welchen Zweck verfolgt die Vollkostenrechnung?
Hauptzweck der Vollkostenrechnung war von Anfang an die Kalkulation mit dem Ziel der Preisbildung für Produkte, für die kein Marktpreis besteht. Die relativ einfache Rechnung und plausible Zuordnung von Kosten sollte den Preis rechtfertigen. Dieses Vorgehen eignet sich insbesondere zur Ermittlung des Angebotspreises bei Einzelfertigung.
Das zweite Ziel neben der Kalkulation der einzelnen Leistungseinheiten ist die Periodenerfolgsrechnung. Die Nettoerlöse werden hierbei den Kosten gegenübergestellt. Die Summe der Produkterfolge ist danach identisch mit dem Betriebsergebnis.
Verursachungsprinzip
Grundgedanke der Zurechnung von Kosten auf die Produkte ist das Verursachungsprinzip – was aber, genau genommen, nicht durchgehalten wird. Man geht von der anteiligen Inanspruchnahme der Produktionsfaktoren bei der Leistungserstellung aus: Neben dem direkten Materialverbrauch werden die betrieblichen Kapazitäten wie Personal und Maschinen in Anspruch genommen. Deshalb ist es im System der Vollkostenrechnung logisch, den Produkten auch diese anteiligen Kosten anzulasten.
In der traditionellen Vollkostenrechnung wird dies allerdings nur für den Material- und Fertigungsbereich umgesetzt. Eine „verursachungsgerechte” Verteilung der Kosten von Vertrieb und Verwaltung ist dort gar nicht angestrebt. Das liegt z. T. daran, dass eine proportionale Beziehung zwischen den Produkten und diesen Gemeinkosten grundsätzlich nur sehr schwer ermittelt werden kann. Vor allem aber war es bei dem früher vergleichsweise geringen Umfang von Vertriebs- und Verwaltungskosten nicht notwendig, hier nach mehr Detailgenauigkeit zu streben. An diesem Defizit setzt heute die Prozesskostenrechnung an, indem sie auch die Inanspruchnahme dieser stark gewachsenen Gemeinkostenbereiche messbar macht, um sie den Produkten anteilig zuzurechnen.
2 Wie ist die Vollkostenrechnung aufgebaut?
Kostenartenrechnung
In der Kostenartenrechnung werden alle anfallenden Kosten erfasst. Sie werden überwiegend direkt aus der Finanzbuchhaltung übernommen. Bereits hier wird nach Einzelkosten und Gemeinkosten unterschieden. Einzelkosten werden den Kostenträgern direkt zugeordnet, Gemeinkosten werden den Kostenstellen zugeordnet, in denen sie entstehen.
Kostenstellenrechnung
Kostenstellen sind Orte der Leistungserstellung und Kostenentstehung. Sie sollten so gebildet werden, dass ein möglichst klarer Bezug zwischen Leistungen und anfallenden Kosten hergestellt werden kann. Der Prozess der Leistungserstellung erfolgt meist in zahlreichen Stufen, sodass die Kosten über ein System von Vorkostenstellen auf Endkostenstellen weitergewälzt werden. Von dort schließlich werden sie auf die Kostenträger verrechnet.
Kostenträgerrechnung
Kostenträger sind die betrieblichen Leistungseinheiten (Produkte). Sie sind das eigentliche Ziel der Sammlung und Weiterverrechnung von Kosten. Die Kostenträger übernehmen („tragen”) also die Einzelkosten aus der Kostenarten- und die Gemeinkosten aus der Kostenstellenrechnung. Das Ergebnis dieses Verfahrens sind die Selbstkosten des Produkts (s. Tab. 1).
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Materialeinzelkosten |
+ |
Materialgemeinkosten in % der Material-EK |
= |
Materialkosten |
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Fertigungseinzelkosten |
+ |
Fertigungsgemeinkosten in % der Fertigungs-EK |
+ |
Sondereinzelkosten der Fertigung |
= |
Fertigungskosten |
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Materialkosten + Fertigungskosten |
= |
Herstellkosten |
+ |
Vertriebsgemeinkosten in % der Herstellkosten |
+ |
Verwaltungsgemeinkosten in % der Herstellkosten |
+ |
Sondereinzelkosten des Vertriebs |
= |
Selbstkosten |
Tab. 1: Kalkulationsschema
3 Welche Grundannahmen liegen der Vollkostenrechnung zugrunde?
Als Hauptzweck dieses Kostenrechnungsmodells wurde die Preiskalkulation genannt. Der Preis ergibt sich nun aus den Selbstkosten und einem Gewinnzuschlag. Diese Preisermittlung und -rechtfertigung geht von folgenden Grundannahmen aus:
- Die Menge hergestellter und verkaufter Produkte (zuerst nur auf Istkostenbasis aufgebaut) ist bekannt.
- Alle Produkte zusammen tragen die Gemeinkosten, jedes einzelne trägt einen „gerechten” Anteil (Verteilung nach Tragfähigkeit).
- Alle Produkte werden zu dem ermittelten Preis tatsächlich verkauft (Deckung aller Kosten durch die Erlöse).
- Die aus den Kosten abgeleiteten Preise werden vom Käufer akzeptiert (Fehlen eines Marktpreises).
Diese Grundannahmen muss man berücksichtigen, wenn man die Vollkostenrechnung beurteilt. Es gibt wohl kaum ein Thema in der Kostenrechnung, das über Jahrzehnte hinweg so ausdauernd dargestellt wird, wie die „Mängel der Vollkostenrechnung”. Deshalb stellt sich die Frage, warum die Vollkostenrechnung nach wie vor angewandt wird, und sogar das am meisten verbreitete Kalkulationsmodell in der Praxis ist.
4 Welchen Nutzen bietet die Vollkostenrechnung?
Wendet man die Vollkostenrechnung nur für die Zwecke an, für die sie konzipiert ist, hat sie durchaus ihre Berechtig...