Leitsatz
1. Die zur Erlangung der vollständigen Steuerbefreiung einer Kunstsammlung erforderliche Bereitschaft des Steuerpflichtigen, die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen, ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal. Auf dessen Vorliegen kann nur anhand objektiver Sachverhalte geschlossen werden. Indizwirkung für die Bereitschaft können eine Erklärung gegenüber der zuständigen Denkmalbehörde oder der Abschluss eines Leih- und Kooperationsvertrages mit einem fachlich einschlägigen Museum entfalten.
2. Der Erwerb einer Kunstsammlung ist nur insoweit in vollem Umfang steuerbefreit, als sich die einzelnen zur Kunstsammlung gehörenden Gegenstände zum Zeitpunkt des Erwerbs bereits mindestens 20 Jahre im Besitz der Familie befunden haben.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Satz 1, § 30 Abs. 1 ErbStG
Sachverhalt
Der Vater des Klägers verstarb im Januar 2006 und hinterließ diesem 20 Kunstwerke, die Gegenstand eines Schenkungsvertrages gewesen waren: Die Erfüllung der Schenkung erfolgte durch Übertragung des Alleineigentums mit dem Tod des Schenkers. Die meisten der Kunstgegenstände hatten sich bereits mindestens 20 Jahre im Besitz der Familie befunden. Im April 2006 schloss der Kläger mit einem Museum (Stiftung) einen Kooperationsvertrag. In diesem auf 10 Jahre geschlossenen Vertrag waren die wesentlichen Verpflichtungen für die Unterstellung der Kunstwerke unter die Bestimmungen der Denkmalspflege und für eine öffentliche Nutzbarmachung enthalten.
Die in der Schenkungsteuererklärung vom Juni 2006 beantragte vollständige Steuerbefreiung für die Sammlung verweigerten das Finanzamt und später das Finanzgericht (FG Münster, Urteil vom 24.9.2014, 3 K 2906/12 Erb, Haufe-Index 7493319, EFG 2015, 61) mit dem Hinweis, es fehle an der Bereitschaft des Klägers, die Sammlung den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen. Um die Voraussetzungen einer solchen Bereitschaft zu dokumentieren, reiche zwar eine schriftliche Mitteilung an die untere Denkmalbehörde aus. Eine solche zeitnah zur Schenkung gefertigte Anzeige liege aber im Streitfall nicht vor.
Entscheidung
Der erkennende Senat hat dem Kläger hinsichtlich der Steuerbefreiung recht gegeben. Der Erwerb der Kunstsammlung ist entgegen der Auffassung des Finanzgerichts grundsätzlich in vollem Umfang steuerbefreit, soweit sich die zur Kunstsammlung gehörenden Kunstwerke zum Zeitpunkt der Schenkung bereits 20 Jahre im Familienbesitz befunden hatten.
- Bereitschaft zur Unterstellung der Kunstgegenstände unter die Denkmalspflege
"Geltende Bestimmungen der Denkmalspflege" implizieren den übergreifenden Grundsatz, dass Kulturdenkmäler zu schützen, zu pflegen und wissenschaftlich zu erforschen sind. Als "Denkmalspflege" werden alle geistigen, technischen, handwerklichen und künstlerischen Maßnahmen nicht hoheitlicher Art bezeichnet, die zur Er- und Unterhaltung von Kulturdenkmälern erforderlich sind.
Bei der "Bereitschaft des Unterstellens" handelt es sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal. Auf das Vorliegen subjektiver Tatbestandsmerkmale im Steuerrecht (wie z.B. die "Absicht, Einkünfte zu erzielen") kann nur aus objektiv vorhandenen Sachverhalten ("Indizien") geschlossen werden. Der Nachweis ist zwar grundsätzlich erbracht, wenn der Steuerpflichtige in einer Erklärung gegenüber der Denkmalbehörde seine Bereitschaft zum Ausdruck bringt, die Vorschriften des jeweils landesrechtlichen Denkmalschutzgesetzes zur Denkmalspflege einzuhalten.
- Ermittlung der "Bereitschaft" aus Indizien
Im Einzelfall können aber auch andere Maßnahmen eine Indizwirkung dahin gehend entfalten, dass die Bekundung der Bereitschaft des Steuerpflichtigen als erwiesen anzusehen ist. Eine solche Indizwirkung können z.B. die Darlegung der konservatorisch einwandfreien, sicheren Aufbewahrung und Pflege der Kunstgegenstände, die Einleitung von Maßnahmen der Instandhaltung, Instandsetzung, Sanierung, Restaurierung und Ergänzung ergeben.
Im Streitfall sprechen auch ohne entsprechenden Kontakt zur Denkmalbehörde hinreichende Indizien dafür, dass der Kläger bereit war, seine Sammlung der Denkmalspflege zu unterstellen. Denn zum einen hat der Kläger bereits im April 2006 den Kooperationsvertrag geschlossen. Außerdem spricht für die Bereitschaft des Klägers, dass er sich in der Anlage zu der Schenkungsteuererklärung mit den Anforderungen an die Denkmalspflege auseinandergesetzt hat.
Die Bereitschaft muss in einem angemessenen zeitlichen Zusammenhang nach dem Erwerb bereits vorhanden oder zumindest eingeleitet sein, wobei ein zeitlicher Zusammenhang von bis zu ca. sechs Monaten ab Kenntnis des Erwerbs durch den Erwerber noch als rechtzeitig anzusehen ist.
Im Entscheidungsfall war die Bereitschaft des Klägers rechtzeitig vorhanden. Den Kooperationsvertrag hatte er ca. drei Monate nach der ausgeführten Zuwendung geschlossen und die Einhaltung der Bestimmungen der Denkmalspflege in der Steuererklärung ca. fünfeinhalb Monate nach der Ausfü...