Rz. 102
Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit. Unter den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit fallen nach Art. 57 AEUV alle entgeltlichen Leistungen, die nicht den anderen Grundfreiheiten unterfallen. Erforderlich ist zudem eine auf einen Erwerbszweck gerichtete Teilnahme am Wirtschaftsleben. In Abgrenzung zur Warenverkehrsfreiheit muss es sich um unkörperliche Leistungen handeln, in Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit muss es sich um eine selbständige Tätigkeit handeln, in Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit muss es sich um eine Dienstleistung handeln, die nicht von einer stabilen und kontinuierlichen Niederlassung im Empfängermitgliedstaat der Dienstleistung aus erbracht wird. Zur Abgrenzung zur Kapitalverkehrsfreiheit s. Rz. 115. Erfasst sind etwa Finanzdienstleistungen, aber auch die Vergabe von Lizenzen auf gewerbliche Schutzrechte. Versagt § 50d Abs. 3 EStG Ansprüche auf Entlastung von Zinsen und Lizenzgebühren, steht dieser grundsätzlich – vorbehaltlich einer Abgrenzung zur Kapitalverkehrsfreiheit und Niederlassungsfreiheit – im Konflikt mit der Dienstleistungsfreiheit (s. zur Beschränkungswirkung ausf. Rz. 90 ff.). Die Dienstleistung muss ein grenzüberschreitendes Element aufweisen. Das ist gegeben bei einer Grenzüberschreitung des Leistenden (aktive Dienstleistungsfreiheit), bei einer Grenzüberschreitung des Leistungsempfängers (passive Dienstleistungsfreiheit) oder bei einer Grenzüberschreitung nur der Leistung selbst (Korrespondenzdienstleistung). In persönlicher Hinsicht kann sich grundsätzlich sowohl der Erbringer als auch der Empfänger einer Dienstleistung auf die Dienstleistungsfreiheit berufen. Der Erbringer der Leistung muss dabei als Angehöriger eines Mitgliedstaats in einem (nicht notwendig demselben) Mitgliedstaat ansässig sein. Zum Leistungsempfänger Rz. 104.
Rz. 103
Beschränkung durch § 50d Abs. 3 EStG. S. zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit Rz. 90 ff.
Rz. 104
Drittstaatenfälle. Ist der Leistungserbringer nicht Angehöriger eines Mitgliedstaats (s. für Gesellschaften Art. 62 i.V.m. Art. 54 AEUV), nicht in einem Mitgliedstaat ansässig oder wird eine Dienstleistung nicht in einen anderen Mitgliedstaat hinein erbracht, ist die Dienstleistungsfreiheit nicht anwendbar (vgl. Art. 56 Abs. 1 AEUV). Fraglich ist aber welche Anforderungen an den Leistungsempfänger (z.B. einen Lizenznehmer, Darlehensnehmer) gestellt werden müssen, damit die Dienstleistungsfreiheit anwendbar ist. Für die Berechtigung des Leistungserbringers (aktive Dienstleistungsfreiheit) ist es nach wohl überwiegender Ansicht allein entscheidend, dass der Leistungsempfänger im anderen Mitgliedstaat ansässig ist, ohne dass dieser Angehöriger eines Mitgliedstaats sein müsste. Für die Berechtigung des Leistungsempfängers (passive Dienstleistungsfreiheit) wird hingegen nach wohl überwiegender Ansicht verlangt, dass dieser in einem Mitgliedstaat ansässig ist und auch Angehöriger eines Mitgliedstaats ist. Richtigerweise wird man aber berücksichtigen müssen, dass der Tatbestand des Art. 56 AEUV keine solchen Einschränkungen hinsichtlich des Leistungsempfängers beinhaltet. Ausreichend sollte es daher auch für die Berechtigung des Leistungsempfängers sein, wenn dieser in einem Mitgliedstaat ansässig ist oder sich nur dort aufhält. Dies kann dann auch ein Angehöriger eines Drittstaats sein, der sich neben dem Leistungserbringer auf die Dienstleistungsfreiheit berufen kann.
Rz. 105
Abgrenzung zur Kapitalverkehrsfreiheit. Vgl. Rz. 115.
Rz. 106
Rechtfertigung. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit kann nach allgemeinen Grundsätzen gerechtfertigt werden. Für § 50d Abs. 3 EStG kommt der Rechtfertigungsgrund der Missbrauchsvermeidung in Betracht. S. hierzu ausf. Rz. 96 ff.; s.a. Rz. 22 ff.