Leitsatz
Dem EuGH wird die folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht Art. 56 EG der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach welcher – in Einklang mit zwischenstaatlichen DBA – bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit ausländischen Einkünften in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen, zu einer der inländischen ESt entsprechenden Steuer herangezogen werden, die ausländische Steuer auf die inländische ESt, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt, in der Weise angerechnet wird, dass die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens – einschließlich der ausländischen Einkünfte – ergebende inländische ESt im Verhältnis dieser ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte – und damit unter Nichtberücksichtigung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen als Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände – aufgeteilt wird?
Normenkette
§ 34c Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 6 S. 2, § 34d Nr. 6 EStG, Art. 56, Art. 57 Abs. 1 EG (= Art. 63, Art. 64 Abs. 1 AEUV)
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2007 zusammen zur ESt veranlagt wurden. Im Streitjahr erzielten sie Kapitaleinkünfte u.a. aus Beteiligungen (sog. Streubesitz) an Kapitalgesellschaften aus den Niederlanden, aus Frankreich, Luxemburg, den USA, aus Japan sowie der Schweiz, und zwar Dividenden.
Die Kläger beanstanden, dass das FA die darauf entfallende anrechenbare ausländische Steuer im Rahmen der Höchstbetragsberechnung gem. § 34c Abs. 1 S. 2 EStG nur mit 1 282 EUR ermittelte; die Nichtberücksichtigung der "überschießenden" ausländischen Quellensteuern von 1 571,02 EUR sei jedenfalls insoweit – i.H.v. 1 282 EUR – gemeinschafts- (und ggf. verfassungs-)rechtswidrig, als sich infolge der entsprechenden ausländischen Einkünfte die deutsche ESt erhöhe.
Ihre Klage gegen blieb erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2010, 1 K 332/09, Haufe-Index 2371953, EFG 2010, 1689).
Entscheidung
Der BFH hielt die zugrunde liegende Rechtsfrage aus Sicht des Europarechts für zumindest zweifelhaft und auslegungsbedürftig. Und deswegen hat er den EuGH angerufen. Der Vorlagefall wird bei diesem – wie bereits bekannt ist – unter dem Az. C-168/11 "Beker" geführt.
Hinweis
Der BFH hat dem EuGH die Rechtsfrage vorgelegt, ob die Regelungen in § 34c EStG über die Anrechnung ausländischer Steuern auf die festgesetzte deutsche ESt in einer bestimmten Detailfrage in Einklang mit der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit steht:
1. Die Steueranrechnung ist nach § 34c Abs. 1 S. 2 EStG ihrer Höhe nach beschränkt, und zwar auf einen Anrechnungshöchstbetrag. Dieser Höchstbetrag ist in einer Verhältnisrechnung zu ermitteln: Die deutsche ESt, die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens einschließlich der ausländischen Einkünfte ergibt, wird im Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt. Im Ergebnis hat das zur Folge, dass vor allem solche privat veranlasste Ausgaben der Lebensführung, die vom Steuerpflichtigen im Inland steuerlich als Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können, teilweise auch auf die ausländischen Einkünfte entfallen und dadurch das Anrechnungsvolumen mindern.
2. Der BFH hält es jedenfalls für möglich, dass diese "Teilhabe" der ausländischen Einkünfte an jenen Abzugsposten unionsrechtlichen Anforderungen nicht standhält.
Denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und dessen sog. Schumacker-Doktrin sind derartige privat veranlasste Abzugsposten vorrangig vom Wohnsitzstaat zu berücksichtigen, nicht aber von demjenigen Staat, in dem die betreffenden Einkünfte erwirtschaftet werden. Es wäre dem Gesetzgeber prinzipiell ein Leichtes, dem zu entsprechen, indem im Rahmen der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags statt auf die "Summe der Einkünfte" (vgl. § 2 Abs. 3 EStG) auf das zu versteuernde Einkommen (vgl. § 2 Abs. 5 EStG) abgestellt werde, um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen, die ganz überwiegend Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände repräsentieren, als Minderungspositionen einzubeziehen und damit den – vielleicht – "richtigen" Höchstbetrag zu bestimmen.
Dem lässt sich zwar entgegenhalten – und wird vom BFH auch erwogen –, dass vom Steuerpflichtigen bei der Steuerveranlagung statt der Anrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG der Abzug der ausländischen Steuern gem. § 34c Abs. 2 EStG gewählt werden kann. Das hätte die Einbeziehung der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen zur Folge; der Steuerpflichtige hätte es damit in der Hand, sich für die ihm rechnerisch vorteilhafte Vorgehensweise zu entscheiden. Wiederum ist jedoch fraglich, ob diese Alternative unionsrechtlichen Anforderungen genügt. Denn danach gilt grundsätzlich und außerhalb "kohärent" aufeinander abgestimmter Regelungskomplexe ein striktes Kompensationsverbot.
3. Wohl keinem Zweifel unterliegt es bei zwischenzeitlichem Stand der EuGH-Rechtsprechung, das...