Leitsatz
Die besondere Förderungswürdigkeit von Biokraftstoffen i.S.d. § 50 Abs. 5 (mittlerweile Abs. 4) EnergieStG ist restriktiv auszulegen und setzt unter anderem voraus, dass der Kraftstoff im Vergleich zu herkömmlichen Biokraftstoffen ein hohes CO2-Minderungspotenzial aufweist und auf breiterer biogener Rohstoffgrundlage hergestellt wird.
Normenkette
§ 50 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 Nr. 1, § 66 Abs. 1 Nr. 11a EnergieStG, § 37b Satz 8 BImSchG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 49, 107 AEUV
Sachverhalt
Die Klägerin handelt mit Mineralöl. Sie erwarb Biokraftstoff mit der Bezeichnung X, welchen sie den von ihr vertriebenen Dieselkraftstoffen beimischte. Das Herstellungsverfahren von X beschreibt die Klägerin wie folgt: "Ausgangspunkt zur Herstellung von X sind Pflanzenöle aus Ölsaaten, vor allem Palm[kern]öl, sowie ein geringer Anteil tierischer Fette. (…) Die vorhandenen Triglyceride werden (…) durch eine katalytische Reaktion mit Wasserstoff (Hydrierung), die bei Temperaturen von 320°C bis 360°C und bis zu 80 bar Druck einsetzt, in Kohlenwasserstoffe umgewandelt, wobei in Abhängigkeit von der thermischen Belastung und von der Auswahl des Katalysators die Spaltung der ursprünglichen Kohlenstoffkette in Moleküle mit kürzerer Kettenlänge erfolgt. (…) Endprodukte des Umwandlungsprozesses sind X (Biodieselkraftstoff ...) einerseits und sonstige Bioprodukte andererseits (flüchtige Kohlenwasserstoffe, Wasser, H2)."
Die für 2007 beantragte Steuerentlastung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG lehnte das HZA mit der Begründung ab, bei der Herstellung von X handele es sich um keine thermochemische Umwandlung i.S.d. § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das FG urteilte, der Begriff "thermochemische Umwandlung" sei nach dem aus der Gesetzesbegründung des Biokraftstoffquotengesetzes (BT-Drucks. 16/2709) erkennbaren Willen des Gesetzgebers eng auszulegen. Es seien nur BtL-Kraftstoffe als besonders förderungswürdig i.S.d. § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG anzusehen. X sei aber kein BtL-Kraftstoff. Es fehle der Zwischenschritt einer Vergasung bzw. Pyrolyse. Außerdem würden als Biomasse nur Pflanzenöle bzw. bestimmte ölhaltige Pflanzenteile genutzt, sodass bei der Herstellung nicht auf eine breitere biogene Rohstoffgrundlage als bei herkömmlichen Biokraftstoffen zurückgegriffen werde (FG Hamburg, Urteil vom 24.10.2013, 4 K 38/11, Haufe-Index 6420211).
Entscheidung
Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Hinweis
1. Nach § 50 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für nachweislich versteuerte Energieerzeugnisse gewährt, die besonders förderungswürdige Biokraftstoffe gemäß § 50 Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 2 EnergieStG sind. Im Streitfall kamen nur die in § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG beschriebenen synthetischen Kohlenwasserstoffe oder synthetischen Kohlenwasserstoffgemische, die durch thermochemische Umwandlung von Biomasse gewonnen werden, in Betracht. Welche Kraftstoffe damit gemeint sind, bleibt ungewiss.
2. Die Entwicklung auf diesem Gebiet läuft rasch und es erscheint zweifelhaft, ob tatsächlich jeder durch thermochemische Umwandlung von Biomasse erzeugte Kraftstoff besonders förderungswürdig ist. Der Gesetzgeber lässt die Wirtschaftsbetriebe und Gerichte bei diesen Überlegungen allein oder er hat bei all seinen Lenkungszielen und "Ausnahmen-von-Ausnahmen" im Energiesteuerrecht inzwischen selbst den Überblick verloren.
3. So findet sich in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 50 Abs. 5 EnergieStG zwar ein Hinweis auf sog. BtL-Kraftstoffe (Biomass-to-Liquid), bei deren Herstellung es zu dem Zwischenschritt der Vergasung bzw. Pyrolyse kommt; dem Wortlaut des § 50 Abs. 5 Nr. 1 EnergieStG lässt sich eine solche Beschränkung auf ein bestimmtes Verfahren jedoch nicht entnehmen. Der Begriff "thermochemische Umwandlung" ist deutlich weiter.
4. Der BFH musste eine historische, systematische und teleologische Auslegung der Vorschrift bemühen, um zu dem Schluss zu kommen, dass wohl nicht alle durch thermochemische Umwandlung von Biomasse gewonnenen Kraftstoffe besonders förderungswürdig sein können. In einer bei der juristischen Arbeit wohl nicht alltäglichen Weise gab letztlich die an den Verordnungsgeber gerichtete Ermächtigungsvorschrift des § 66 Abs. 1 Nr. 11a EnergieStG den Hinweis, dass nur solche Biokraftstoffe, die auf einer "breiten biogenen Rohstoffgrundlage" hergestellt worden sind, nach dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers besonders förderungswürdig sind. Diese Voraussetzungen hat der BFH bei dem im Streitfall verwendeten Palmkernöl verneint, weil ähnlich wie bei herkömmlichem Biodiesel nur ein ölhaltiger Teil der Pflanze zur Herstellung verwendet wird.
5. Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber sollte möglichst rasch die besonders förderungswürdigen Biokraftstoffe definieren und die nicht hilfreichen unbestimmten Begriffe wie "thermochemische Umwandlung" und "breite biogene Rohstoffgrundlage" d...