Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Liegen die Voraussetzungen der Organschaft vor, kann die Organgesellschaft für die Umsatzsteuer des Organkreises in Haftung genommen werden. Hat die Finanzverwaltung in den Vorjahren eine Organschaft verneint, ist sie für die Zukunft daran nicht gebunden.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH an der ein Gesellschafter mit 98 % beteiligt war. Darüber hinaus war der Gesellschafter einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Gesellschaft. Der Gesellschafter verpachtete ein Grundstück sowie wesentliche Betriebsgrundlagen an die Gesellschaft.
Nachdem über das Vermögen des Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, nahm die Finanzverwaltung die Klägerin als Organgesellschaft nach § 73 AO für die Umsatzsteuer des Organkreises in Haftung. Obwohl die Finanzverwaltung früher eine Organschaft ablehnte, kam sie später zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Organschaft vorliegen würden und die Inanspruchnahme nach § 73 AO gerechtfertigt sei.
Der Kläger wandte sich gegen die Inhaftungnahme, da aus seiner Sicht eine Organschaft nicht vorliegen würde. Neben der fraglichen wirtschaftlichen Eingliederung würde keine organisatorische Eingliederung vorliegen, da noch ein weiterer Geschäftsführer bei der Gesellschaft berufen sei. Außerdem wurde von der Gesellschaft in den Rechnungen nicht die Steuernummer des vermeintlichen Organträgers angegeben. Darüber hinaus hätte die Finanzverwaltung früher keine Organschaft festgestellt und sei insoweit auch für die Folgejahre daran gebunden, da keine Änderung der Verhältnisse eingetreten sei.
Entscheidung
Die zulässige Klage wurde vom FG als unbegründet abgewiesen.
Zwischen dem Gesellschafter, der weiterhin als Unternehmer tätig gewesen war, und der Klägerin bestand eine Organschaft, die zu einem einheitlichen Unternehmen führte, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Wegen der Verpachtung des Grundstücks und der weiteren Betriebsgrundlagen liegt eine wirtschaftliche Verflechtung vor. Die finanzielle Eingliederung ist unstrittig.
Es liegt auch die organisatorische Eingliederung vor, da der Gesellschafter einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Gesellschaft war. Dass noch ein anderer Geschäftsführer berufen war, führte nach Auffassung des Gerichts nicht zu einem anderen Ergebnis, da nach den Feststellungen des Gerichts jederzeit gewährleistet war, dass der Gesellschafter mit seinem Willen nicht entsprechende Entscheidungen verhindern konnte.
Auch die Tatsache, dass die Organgesellschaft in ihren Rechnungen nicht die Steuernummer des Organträgers mit aufgenommen hatte, kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Durch einen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften kann die Rechtsfolge der Organschaft nicht verhindert werden.
Selbst wenn die Finanzverwaltung früher keine Organschaft festgestellt haben sollte, ergibt sich daraus keine Bindung für die Zukunft. Die Besteuerung hat nach Zeitabschnitten zu erfolgen und deshalb ist die Finanzverwaltung verpflichtet, eine als unzutreffend erkannte Behandlung zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufzugeben.
Hinweis
In dem etwas verworrenen Fall versuchte die Klägerin, mit unterschiedlichen Argumenten das Bestehen einer Organschaft zu verhindern, um nicht nach § 73 AO als Organgesellschaft für die Umsatzsteuer des Organkreises in Haftung genommen zu werden.
Trotz unklarer vertraglicher Verhältnisse kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine wirtschaftliche Eingliederung vorhanden sei, da wesentliche Betriebsgrundlagen zur Überzeugung des Gerichts tatsächlich überlassen worden sind.
Keine näheren Angaben werden in dem Urteil zum Vorliegen der organisatorischen Eingliederung gemacht. Der Vortrag des Klägers, dass neben ihm noch ein anderer Geschäftsführer berufen war, wurde vom Gericht lediglich mit dem Hinweis entkräftet, dass der Gesellschafter jederzeit in der Lage gewesen sei, den anderen Geschäftsführer zu entlassen und so eine Willensbildung gegen seinen Willen zu verhindern. Wie der andere Geschäftsführer vertretungsbefugt war und welche weiteren Maßnahmen zur Sicherstellung der Durchsetzung des Willens des Gesellschafters ergriffen wurden, sind in dem Verfahren nicht gemacht worden.
Bei der organisatorischen Eingliederung ist zu beachten, dass der BFH sich in den vergangenen Jahren intensiver mit dieser Frage beschäftigt hatte, auch die Finanzverwaltung hat die Voraussetzungen für die organisatorische Eingliederung neu im Abschn. 2.8 Abs. 7 ff. UStAE geregelt. Damit die organisatorische Eingliederung vorliegt, reicht es nicht mehr aus, dass der Organträger ein Weisungsrecht gegenüber der Organgesellschaft hat oder eine Berichtspflicht durch die Organgesellschaft besteht. Der Organträger muss sicherstellen, dass sein Wille auch tatsächlich in der Organgesellschaft umgesetzt wird. Dies wird im Regelfall durch eine personelle Verflechtung hergestellt. Soweit mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer berufen sind, muss durch weitere abgesicherte Maßnahmen sichergestellt werden, dass eine gegen seinen Willen gerichtete Will...