Steuerpflichtige Lieferung ohne Mitteilung der USt-IdNr.: Hat der Abnehmer keine ihm erteilte USt-IdNr. mitgeteilt und hat deswegen der Lieferant eine Rechnung mit dem vereinbarten Nettopreis zzgl. Umsatzsteuer ausgestellt, handelt es sich nicht um einen Umsatzsteuerausweis i.S.v. § 14c Abs. 1 UStG. Der abgerechnete Umsatz ist (wegen des Fehlens einer Befreiungsvoraussetzung) zunächst steuerpflichtig. Hat der Abnehmer dem Lieferer keine im Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung gültige USt-IdNr. mitgeteilt, kann die Lieferung schon tatbestandlich keine innergemeinschaftliche Lieferung sein. Dies ist auch dann der Fall, wenn alle anderen Voraussetzungen für die Anwendung der Befreiung erfüllt sind und der Lieferer, beispielsweise aufgrund der Art oder Menge der gelieferten Gegenstände, Grund zu der Annahme hat, dass es sich bei dem Abnehmer um einen Unternehmer oder eine juristische Person handelt.
Keine Versagung des Vorsteuerabzugs: Sofern die übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllt sind, besteht keine Rechtsgrundlage für die Versagung des Vorsteuerabzugs des per Gesetz steuerpflichtigen Umsatzes. § 15 UStG enthält keinen Ausschlusstatbestand für eine Lieferung, die mangels Verwendung einer ausländischen USt-IdNr. durch den Abnehmer als steuerpflichtig behandelt wird, im Übrigen aber alle Tatbestandsmerkmale des § 6a Abs. 1 UStG erfüllt.
Dies gilt unabhängig davon, in welchem Verfahren der Abnehmer die Vorsteuer geltend macht. Ist der Erwerber im Abgangsmitgliedstaat steuerlich registriert und dort zum Vorsteuerabzug aus der Lieferung berechtigt, bekommt er die Steuer im Besteuerungsverfahren erstattet. Im Falle einer fehlenden Ansässigkeit im Abgangsmitgliedstaat kommt eine Erstattung im Vorsteuer-Vergütungsverfahren in Betracht. Zwar ist nach Art. 4 der Richtlinie 2008/9/EU die Anwendung dieser Richtlinie und damit die Erstattung der Umsatzsteuer ausgeschlossen, wenn die Lieferung nach Art. 138 MwStSystRL oder Art. 146 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL befreit werden könnte. Wenn aber der Abnehmer keine USt-IdNr. verwendet hat, kann die Lieferung mangels Vorliegens der materiell-rechtlichen Tatbestandsmerkmale des § 6a Abs. 1 UStG nicht steuerfrei gestellt werden, so dass dann eine innergemeinschaftliche Lieferung i.S.v. § 6a Abs. 1 UStG bzw. Art. 138 MwStSystRL gerade nicht vorliegt.
Abnehmer muss einen innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsland besteuern: Die Tatsache, dass der Lieferer seine Lieferung als steuerpflichtig behandelt, weil die Bedingungen des Art. 138 MwStSystRL bzw. des § 6a UStG nicht erfüllt sind, hat keine Auswirkungen auf die mehrwertsteuerliche Behandlung des innergemeinschaftlichen Erwerbs durch den Kunden in dem Mitgliedstaat, in dem die Versendung oder Beförderung der Gegenstände endet (Art. 16 MwStDVO). Daher muss der Abnehmer unabhängig von der Abrechnung des Lieferanten mit Steuerausweis einen innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsland besteuern. Insoweit droht deswegen eine Doppelbesteuerung in den Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 15 UStG nicht erfüllt sind. Verwendet der Abnehmer die bezogene Eingangsleistung zur Ausführung von Umsätzen, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, kann kein Vorsteuerabzug im Abgangsmitgliedstaat erfolgen. Entsprechendes gilt für den Vorsteuerabzug aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat. Selbst wenn der Umsatz nicht in der ZM deklariert wird und der Bestimmungsmitgliedstaat auf diese Weise keine Kenntnisse vom innergemeinschaftlichen Erwerb des Abnehmers erlangt, ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung des Abgangsmitgliedstaates die Finanzverwaltung des Bestimmungsmitgliedstaates per Kontrollmitteilung informiert.
Korrekturpflicht des Lieferanten bzgl. Rechnung und Umsatzsteuervoranmeldung? Ungeklärt ist, ob der Lieferant seine Rechnung korrigieren und seine Umsatzsteuervoranmeldung berichtigen muss, wenn er die Lieferung zunächst als steuerpflichtig behandelt hat und der Kunde nachträglich eine USt-IdNr. verwendet. Gegen eine Berichtigungspflicht und die Möglichkeit des Verweises auf die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs spricht, dass der Erwerber eben nicht bis zum Beginn der Beförderung/Versendung seine ausländische USt-IdNr. verwendet hat und die erfolgte Abrechnung mit Steuerausweis eine gesetzliche Folge der Nichtverwendung der USt-IdNr. ist. Die Lieferung ist mit Beginn der Beförderung/Versendung getätigt und kann zu diesem Zeitpunkt nur eine einzige umsatzsteuerliche Behandlung erfahren. Entweder die Lieferung ist steuerfrei oder sie ist steuerpflichtig. Andernfalls würden dem Lieferanten allein aufgrund des Verhaltens seines Abnehmers zusätzliche Pflichten aufgebürdet werden (Rechnungsberichtigung, Berichtigung der Voranmeldung, Abgabe oder Berichtigung einer ZM). Gleichzeitig hätte der Abnehmer einen Anspruch auf Erteilung einer Rechnung über eine steuerfreie Lieferung und die Rückzahlung der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer.