Rz. 1
Die heutigen Bußgeldvorschriften der AO gehen im Wesentlichen zurück auf die grundlegende Neugestaltung, die der 2. Abschnitt des Achten Teils der AO durch das 2. AOStrafÄndG vom 12.8.1968 erfahren hat. Bei dieser Gesetzesreform ging es nicht so sehr um den Inhalt der Vorschriften, der im Wesentlichen unverändert blieb, als vielmehr darum, diejenigen Vorschriften, die Steuervergehen leichter Art bestraften, in Steuerordnungswidrigkeiten umzuwandeln (s. dazu Rz. 10 ff.). Der Gesetzgeber hat es damit erstmalig unternommen, auch im Bereich des sog. Steuerstrafrechts eine Trennung vorzunehmen zwischen solchen Handlungsweisen, denen ein krimineller Unrechtsgehalt zugrunde liegt, und solchen, bei denen herkömmlich davon ausgegangen wird, dass sie nur der Steuerrechtsordnung zuwiderlaufen.
Rz. 2
In den vorangehenden Fassungen der RAO von 1919, 1931, 1939 und 1956 kam zwar auch zum Ausdruck, dass zwischen den Tatbeständen der heutigen §§ 378–382 AO, die sämtlich als Vergehen ausgestaltet waren, und etwa der Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei ein Unterschied im Unrechtsgehalt bestand. Dieser fand aber nur insoweit seinen Niederschlag, als an die Verwirklichung dieser Tatbestände überwiegend mindere, gleichwohl aber kriminelle Strafdrohungen (nur Geldstrafe) geknüpft waren, und sie im Übrigen nur subsidiär Anwendung fanden. Zum Teil wurde davon abgesehen, einen Verstoß gegen diese Vorschriften in das Strafregister einzutragen. Auch in der Fassung der RAO von 1956 wurden die Tatbestände der heutigen §§ 378–382 AO als Steuervergehen leichterer Art behandelt, obwohl der Gesetzgeber bereits mit dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 25.3.1952 (OWiG 1952) den Weg eingeschlagen hatte, das Ordnungsunrecht aus dem Kriminalunrecht herauszulösen mit dem Ziel, das Strafrecht auf die wirklich strafwürdigen Fälle zu beschränken.
Rz. 3
Durch das OWiG 1968 reformierte der Gesetzgeber das allgemeine Ordnungswidrigkeitenrecht mit dem Ziel, neben einer Vereinfachung des Bußgeldverfahrens die "Entkriminalisierung" von leichteren Zuwiderhandlungen auf allen Sachgebieten zu ermöglichen. Nachdem das OWiG 1968 am 30.5.1968 verkündet worden war, war der Weg für das 2. AOStrafÄndG frei. Beide Gesetze, das OWiG 1968 und das 2. AOStrafÄndG, traten am 1.10.1968 in Kraft.
Aus dem Bereich des kriminellen Unrechts wurden mit dem 2. AOStrafÄndG ausgegliedert:
- die leichtfertige Steuerverkürzung (§ 404 RAO 1968);
- die Steuergefährdung (§ 405 RAO 1968);
- die Gefährdung von Abzugsteuern (§ 406 RAO 1968);
- die Verbrauchsteuergefährdung (§ 407 RAO 1968);
- die Gefährdung von Eingangsabgaben (§ 408 RAO 1968);
- die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen (§ 409 RAO 1968)
sowie eine Reihe bis dahin im Tabak- und Biersteuergesetz, Branntwein- und Zündwarenmonopolgesetz geregelter Straftatbestände.
Rz. 4
In der Folgezeit wurde der Prozess der Entkriminalisierung durch das EGStGB zum Abschluss gebracht. Die allgemeinen Vorschriften des OWiG wurden an den Allgemeinen Teil des StGB angepasst und neu systematisiert. Die bisherigen Übertretungstatbestände wurden größtenteils – soweit sie nicht zu Vergehen aufgewertet bzw. ersatzlos gestrichen wurden – in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt, die in einem neuen Dritten Teil dem Gesetz angefügt wurden (so z.B. der für das Steuerordnungsunrecht bedeutsame Bußgeldtatbestand des § 130 OWiG "Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen"). Erwähnenswert sind weitere Änderungen des Gesetzes, die das Recht zur Einziehung und das Recht des Verfalls von Vermögensvorteilen im Rahmen des 2. WiKG vom 15.5.1986 betrafen, die die Möglichkeiten zur Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vermögensvorteile erweitern sollten. Im Rahmen des 2. WiKG wurden des Weiteren die Vorschriften über die Organ- und Vertreterhaftung (§ 9 OWiG) und die Bußgeldhaftung von Unternehmen (§§ 30, 130 OWiG) geändert, um einen verbesserten Sanktionsschutz gegen Zuwiderhandlungen in Betrieben und Unternehmen zu erreichen.
Rz. 5
Am 1.1.1977 trat die AO 1977 in Kraft. Diese enthält im 2. Abschnitt des Achten Teils die materiellen Bußgeldvorschriften, die im Wesentlichen inhaltlich mit ihren Vorläufervorschriften der RAO übereinstimmen. § 377 Abs. 1 AO 1977 weicht nur redaktionell von § 403 Abs. 1 RAO ab; statt von "Zuwiderhandlungen gegen Steuergesetze" spricht das Gesetz nun von "Zuwiderhandlungen, die nach den Steuergesetzen mit Geldbuße geahndet werden können".