Rz. 14
Der 2. Abschnitt des Achten Teils der AO enthält die materiellen Bußgeldvorschriften der AO (§§ 377–384 AO). Darin ist das steuerliche Ordnungswidrigkeitenrecht nicht abschließend geregelt, sondern über die Generalklausel des § 377 AO wird der Bereich der Steuerordnungswidrigkeiten über die Einzeltatbestände der §§ 378–383b AO ausgedehnt auf alle Zuwiderhandlungen, die nach den Steuergesetzen mit Geldbuße geahndet werden können. Es gelten die allgemeinen Vorschriften des Ersten Teils des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, soweit nicht die Sonderregelungen der Steuergesetze etwas anderes bestimmen. Abweichungen ergeben sich nach den Vorschriften der AO z.B. bei der Verfolgungsverjährung (§ 384 AO), der Schuldform (Leichtfertigkeit statt Fahrlässigkeit, §§ 378–381 AO) und der Höhe der Geldbuße (§§ 378–383b AO).
Rz. 15
Der 2. Abschnitt (§§ 377–384 AO) lässt sich systematisch in einen Allgemeinen Teil (§§ 377, 384 AO) und einen Besonderen Teil (§§ 378–383b AO) aufgliedern:
Als allgemeine Vorschriften sind anzusehen:
- die Generalklausel des § 377 AO, die neben der Legaldefinition der Steuerordnungswidrigkeit auch den Generalverweis auf das OWiG enthält;
- § 384 AO, in dem für die Tatbestände der §§ 378–380 AO eine Verjährungsfrist von fünf Jahren festgesetzt wird;
- § 384a AO, der die Sanktionierung von Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung und deren Verhältnis zu den Steuerordnungswidrigkeiten der AO regelt.
Als besondere Bußgeldtatbestände sind in der AO aufgeführt:
- § 378 AO, die leichtfertige Steuerverkürzung, die sich von der vorsätzlichen Steuerhinterziehung vornehmlich im subjektiven Bereich unterscheidet;
- § 379 AO, die Steuergefährdung, die bestimmte Vorbereitungshandlungen zur Steuerhinterziehung, wie das Ausstellen unrichtiger Belege oder das Falschverbuchen von Geschäftsvorfällen oder Betriebsvorgängen, mit Geldbuße bedroht;
- § 380 AO, die Gefährdung von Abzugsteuern (wie z.B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer, Bauabzugsteuer, Aufsichtsrat- und Vergütungssteuer) durch Dritte, die für den Stpfl. die Abzugsbeträge nicht ordnungsgemäß einbehalten und abführen;
- § 381 AO, die Verbrauchsteuergefährdung, die als Auffangtatbestand – ebenso wie § 379 AO – unter Rückverweisungsvorbehalt bestimmte Verstöße gegen verbrauchsteuerliche Pflichten im Vorbereitungsstadium der (versuchten) Steuerhinterziehung erfasst;
- § 382 AO, die Gefährdung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, die Pflichtenverstöße erfasst, die sich auf die zollamtliche Überwachung des Warenverkehrs über die Grenze und die Durchführung von Zollverfahren beziehen;
- § 383 AO, unzulässiger Erwerb von Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen, der sich vor allem gegen Missbräuche der Lohnsteuerhilfevereine und den geschäftsmäßigen Handel mit Lohnsteuerkarten wendet;
- § 383b AO, u.a. zweckwidrige Erhebung oder Verwendung der Identifikationsnummer nach § 139b AO oder der Wirtschaftsidentifikationsnummer nach § 139c Abs. 3 AO, um einem Datenmissbrauch vor dem Hintergrund der Automatisierung und Digitalisierung nach dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (StModG) vorzubeugen.
Rz. 16
Das Recht der steuerlichen Ordnungswidrigkeiten hat in der höchstrichterlichen Rspr. in den letzten Jahren eine vermehrte Aufmerksamkeit erfahren. Beispielsweise sei hier der Hinweis des BGH (1. Strafsenat) genannt, dass ein Strafrichter die angeklagte Tat unter dem Aspekt auch eines Bußgeldtatbestands prüfen muss, wenn sich der Vorwurf der Straftat (Steuerhinterziehung) nicht bestätigt hat. Vom BFH stammt die vielbeachtete Entscheidung, dass weder Steuerberater noch Mandant eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) begehen, wenn der Mandant die Angaben gegenüber dem FA machte und nur der Steuerberater leichtfertig handelte. Die höchstrichterliche Rspr. zum Ordnungswidrigkeitenrecht ist auch deshalb von besonderem Interesse, weil bspw. die objektiven Tatbestände der § 370 AO und des § 378 AO ähnlich formuliert sind. Damit lohnt es sich für die Auslegung des § 370 AO als Straftat, die entsprechende Rspr. und Literatur im Bereich der Ordnungswidrigkeiten ergänzend heranzuziehen.