Rz. 210

[Autor/Stand] Beim "vereinfachten Ertragswertverfahren" (§§ 199 bis 203 BewG) wird der regelmäßig aus den Betriebsergebnissen (§ 202 BewG) der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre herzuleitende zukünftig nachhaltig zu erzielende Jahresertrag (vgl. § 201 BewG) mit einem Kapitalisierungsfaktor multipliziert, welcher aus dem Kapitalisierungszins abgeleitet wird. Maßgebend für die Unternehmensbewertung ist insoweit die Frage, wieviel Geld ein Investor am Kapitalmarkt anlegen müsste, um die gleichen Erträge wie das zu bewertende Unternehmen zu erzielen. Erhält ein Investor am Kapitalmarkt nur sehr geringe Zinsen, erscheint eine alternative Investition in ein Unternehmen umso attraktiver (lukrativer); der Wert der Unternehmensbeteiligung steigt entsprechend.[2]

 

Rz. 211

[Autor/Stand] Nach § 203 Abs. 1 BewG a.F. setzte sich der anzuwendende Kapitalisierungszinssatz aus einem Basiszinssatz und einem (Risiko-)Zuschlag von 4,5 % zusammen. Der Basiszinssatz war aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abzuleiten, der von der Deutschen Bundesbank jährlich auf den ersten Börsentag errechnet und vom BMF im BStBl. veröffentlicht wird (näher dazu in § 203 Abs. 2 BewG a.F.).

Der Kapitalisierungsfaktor entsprach gem. § 203 Abs. 3 BewG a.F. dem Kehrwert des Kapitalisierungszinssatzes.

 

Rz. 212

 

Beispiel:

Im Jahr 2016 betrug der Basiszins 1,1 %[4], so dass sich ein Kapitalisierungszinssatz von 1,1 % + 4,5 % = 5,6 % ergab. Der Kehrwert (= Kapitalisierungsfaktor) betrug folglich 100/5,6 = 17,8571.[5]

 

Rz. 213

[Autor/Stand] Infolge der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) stieg der Kapitalisierungsfaktor in den Jahren 2008 bis 2016 von ca. 11 auf rd. 18 an mit der Folge, dass die deutschen Unternehmen auch bei gleichbleibenden Umsätzen und Erträgen stetig an Wert gewannen und Überbewertungen von 50 bis 60 % hervorgerufen wurden.[7]

 

Rz. 214

[Autor/Stand] Um dieser Überbewertung entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber des ErbStAnpG v. 4.11.2016[9] den Kapitalisierungsfaktor in § 203 Abs. 1 BewG mit Wirkung ab 1.1.2016 auf 13,75 festgeschrieben, was einem (fixen) Kapitalisierungszinssatz von 7,27 % (100/13,75) entspricht und ceteris paribus im Jahr 2016 zu einer Minderung der Unternehmenswerte von ca. 23 % führt (13,75/17,86 = 76,98).

 

Rz. 215

[Autor/Stand] Zu den Einzelheiten wird auf die Kommentierung zu § 203 BewG verwiesen.

 

Rz. 216– 221

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2023
[2] Vgl. Beznoska/Hentze, DB 2016, 2433 (2434 f.).
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2023
[4] BMF v. 4.1.2016 – IV C 7 – S 3102/07/10001 – ErbStB 2016, 51.
[5] Vgl. auch Bruckmeier/Zwirner/Vodermeier/Zimny, DB 2017, 797 (801).
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2023
[7] Vgl. z.B. Beznoska/Hentze, DB 2016, 2433 (2435).
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2023
[9] BGBl. I 2016, 2464.
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2023
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2023

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