1. Maßnahmen des Gesetzgebers
Rz. 36
Durch das Steueränderungsgesetz v. 25.2.1992 ging der Gesetzgeber von dem bislang maßgebenden "Teilwertprinzip" zum "Buchwertprinzip" über. Er blieb zwar unter Abweichung von dem im Bewertungsrecht geltenden Grundsatz der Gesamtbewertung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BewG) – vgl. oben Rz. 7 – bei dem für die Bewertung des Betriebsvermögens maßgebenden Prinzip der Einzelbewertung der (positiven und negativen) Wirtschaftsgüter (vgl. § 98a BewG a.F.), ordnete aber nunmehr den grundsätzlichen Ansatz der Wirtschaftsgüter mit ihren Steuerbilanzwerten an. Dies geschah gesetzestechnisch durch die Änderung der in § 12 Abs. 5 ErbStG a.F. in Bezug genommenen Vorschriften des Bewertungsgesetzes, insbesondere der §§ 95 und 109 BewG a.F.
Von der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der Steuerbilanzwerte ausgenommen waren im Wesentlichen lediglich die (Betriebs-)Grundstücke, die Anteile an Kapitalgesellschaften sowie die Wertpapiere.
Rz. 37
Mit der Anordnung der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der Steuerbilanzwerte (Buchwerte) anstelle des bis zum 31.12.1992 geltenden Teilwertprinzips hatte der Gesetzgeber des Steueränderungsgesetzes 1992 einem seit geraumer Zeit diskutierten Vorschlag entsprochen und einen Schritt in Richtung Steuervereinfachung getan. Die grundsätzliche Übernahme der steuerbilanziellen Buchwerte in die Vermögensaufstellung führte zweifelsohne zu einer nicht unerheblichen Arbeitsentlastung sowohl bei den Finanzbehörden als auch bei den Steuerpflichtigen und deren Beratern. Ein selbstständiger Entlastungseffekt trat allerdings nur bei solchen Steuerpflichtigen ein, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelten, mit anderen Worten tatsächlich – sei es aufgrund rechtlicher Verpflichtung (vgl. §§ 140 f. AO) oder freiwillig – eine Steuerbilanz erstellten. Gleichwohl trat aber auch bei den nicht bilanzierenden Steuerpflichtigen eine nicht unbeträchtliche Vereinfachung dadurch ein, dass § 109 Abs. 2 BewG in der ab 1.1.1993 bis 31.12.2008 geltenden Fassung für eine der wichtigsten und streitträchtigsten Vermögenskategorien – die Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens – eine Verkoppelung von "Ertragsteuerwert" und Ansatz in der Vermögensaufstellung angeordnet hatte. Der Streit um die zulässige Abschreibung, um Anhaltewerte (Restwerte) und Preissteigerungszuschläge war insoweit hinfällig geworden.
Rz. 38
Mehr noch als um den Vereinfachungseffekt ging es dem Gesetzgeber des Steueränderungsgesetzes 1992 jedoch um den Abbau der seit Langem von Teilen der Literatur als zu hoch empfundenen Belastung gewerblicher Unternehmen mit ertragsunabhängigen Steuern (Substanzsteuern).
Rz. 39– 44
Einstweilen frei.
2. Beschlüsse des BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91 und 2 BvR 552/91
Rz. 45
In seinem Beschluss v. 22.6.1995 erklärte das BVerfG § 10 VStG als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Bestimme der Gesetzgeber für das gesamte steuerpflichtige Vermögen einen einheitlichen Steuersatz, so könne eine gleichmäßige Besteuerung nur in den Bemessungsgrundlagen der je für sich zu bewertenden wirtschaftlichen Einheiten gesichert werden. Die Besteuerungsgrundlage müsse deshalb auf die Ertragsfähigkeit der wirtschaftlichen Einheiten sachgerecht bezogen sein und deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden. Innerhalb der Gesamtregelung der Besteuerung des Vermögens sei § 10 Nr. 1 VStG insofern mit dem Grundgesetz unvereinbar, als diese Vorschrift das zu Gegenwartswerten erfasste Vermögen mit demselben Steuersatz wie den Grundbesitz belaste, obwohl dessen Bewertung seit 1964/1974 nicht mehr der Wertentwicklung angepasst worden sei.
Rz. 46
Allerdings nahm das BVerfG den bisherigen verfassungswidrigen Zustand im Interesse einer verlässlichen Haushalts- und Finanzpolitik sowie eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzuges für vergangene Zeiträume und darüber hinaus für eine angemessene Übergangszeit – bis 31.12.1996 – weiter hin. Auch könne der Gesetzgeber, wenn er sich zur Neuregelung der Vermögensteuer entschließe, im Rahmen der dann ggf. durchzuführenden Neubewertung der vermögensteuerlichen Bemessungsgrundlage für deren Dauer – längstens für fünf Jahre seit der Verkündung des Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer – Übergangsregelungen treffen, die die vermögensteuerliche Belastung an die dargelegten verfassungsrechtlichen Maßstäbe annäherten.
Rz. 47
Der Gesetzgeber reagierte auf diesen "Vermögensteuerbeschluss" des BVerfG bekanntlich nicht mit der Folge, dass die Vermögensteuer ab 1.1.1997 – auch ohne die formelle Aufhebung des VStG – nicht mehr erhoben wird.
Rz. 48
Dieser "Vermögensteuerbeschluss" des BVerfG enth...