Durch die Kategorisierung in "individuell/standardisiert" soll bewirkt werden, dass intensiv überlegt wird, wo eine Standardisierung von Entscheidungen möglich gemacht werden kann. Wenn eine Entscheidungsart in "individuell" eingegliedert wird, obwohl eine Standardisierung (offensichtlich) möglich ist, kommt man in eine Erklärungsnot, wenn noch kein Standard festgelegt wurde. Es ergibt sich aus dieser Kategorisierung noch ein weiterer Automatismus. Wenn ab dem Zeitpunkt der Festlegung eines Standards alle betreffenden Entscheider im Unternehmen den Standard einhalten müssen, wird man bestrebt sein, einen möglichst guten Standard zu finden, ansonsten werden die zur Anwendung gezwungenen Entscheider (mit gutem Recht) Kritik üben oder den Standard nicht einhalten (wollen). Diese beiden geschilderten Selbstregulierungsmechanismen greifen jedoch nur, wenn eine Kultur des erlaubten bzw. gewollten Hinterfragens und konstruktive Kritikfähigkeit gegeben sind.
Jetzt kann man sich die Frage stellen, ob es denn überhaupt sinnvoll ist, einen Selbstregulierungsmechanismus zu etablieren, der möglichst viele Entscheidungssituationen standardisiert. Ist eine hohe Standardisierung wirklich besser als Individualität? Kreativität entsteht doch nicht aus vielen Vorschriften und Standards. Versuchen wir eine Antwort darauf anhand eines Beispiels zu finden.
Wie geht man bei Personalentscheidungen vor?
Manche Führungskräfte sichten gründlich die eingegangenen Bewerbungen, soweit möglich wird aufgrund der aus dem Lebenslauf abzuleitenden fachlichen und persönlichen Kompetenzen eine Vorauswahl getroffen. Anschließend gibt es mehrere Gespräche, vielleicht gemeinsam mit der Personalabteilung oder dem eigenen Team und am Ende wird die Entscheidungen getroffen. Manchmal wird aber auch jemandem ein Gefallen getan und ein Freund der Familie, eine Nachbarin oder die Bekanntschaft vom Flughafen wird eingestellt. Wiederum andere veranstalten ein Assessment Center, um aus potenziellen Bewerbern die richtige Person auszuwählen. Was ist der beste Standard? Ein Erfahrungsaustausch im Management-Team über die beste Vorgehensweise zur richtigen Personalauswahl kann helfen, falsche Besetzungen oder gar Personalproporz zu verhindern. Vielfach haben wir in Unternehmen schon mit ansehen müssen, dass Falscheinstellungen sehr teuer geworden sind oder eine Menge weiterer Probleme mit sich gebracht haben. Sich das immer wieder bewusst zu machen, soll das Verständnis für Standardisierung stärken.
Liegt ein Standard vor und eine Führungskraft möchte trotzdem eine bestimmte Person bevorzugen oder man selbst ist von einer bestimmten Eigenschaft eines Bewerbers geblendet, so ist man trotzdem gezwungen, den definierten Prozess zu durchlaufen, die vorgesehenen Personen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen etc. – sogenannte kognitiven Verzerrungen können somit eher vermieden werden.
Durch eine Standardisierung sollen zum einen vorschnelle und nicht gut überlegte Entscheidungen verhindert, zum anderen Entscheidungen dadurch auch beschleunigt werden. Durch einen vorgegebenen standardisierten Prozess ist bereits im Vorfeld geklärt, welches Entscheidungswerkzeug verwendet werden soll, welche Personen in welcher Art und Weise eingebunden werden müssen etc. All diese Überlegungen müssen in der konkreten Entscheidungssituation nicht mehr angestellt werden, der Prozess ist klar und muss nur noch abgearbeitet werden. Auch werden "Bedenkenträger" durch Terminvorgaben aus dem Prozess heraus zur Einhaltung der Termine angehalten – selbst der Chef wird den Druck des Prozesses verspüren und dem hoffentlich nachgeben, er sollte ja auch mit gutem Beispiel vorangehen.
Durch das bewusste Gestalten eines Prozesses wird dieser auch optimiert – man kann also davon ausgehen, dass dieser so gestaltet ist, dass er schneller abgearbeitet werden kann, als wenn jede Person im Unternehmen selbst einen individuellen Weg wählt. Es gibt also viele gute Gründe Entscheidungen zu standardisieren. Um einen kreativen Freiraum trotz vieler Standards noch zu ermöglichen, sollen begründete und bewusst gemachte Ausnahmen möglich sein.
Kognitive Verzerrungen vermindern
Mit der Kategorisierung in "individuell/standardisiert" werden erstens eine bewusst professionalisierte Vorgehensweise, zweitens zumeist eine Beschleunigung und drittens eine Vereinheitlichung der Vorgehensweise beim Entscheidungsvorgang bewirkt. Kognitive Verzerrungen können dadurch vermindert werden.