Prof. Dr. Peter Bilsdorfer
Ein Rechtsbehelfsverfahren muss anhängig sein, damit überhaupt vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden kann. Es ist dabei gleichgültig, welcher Art dieses Rechtsbehelfsverfahren ist, ein außergerichtliches oder ein gerichtliches. Nur anhängig muss es sein. Ist der angefochtene Verwaltungsakt bestands- oder rechtskräftig, kommt vorläufiger Rechtsschutz nicht mehr in Betracht.
Wenn ein Einspruchsverfahren anhängig ist, kann das Gericht nach § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO vorläufigen Rechtsschutz auch schon vor Klageerhebung gewähren. Als Rechtsbehelf gilt in diesem Zusammenhang jedoch nicht das Verfahren einer Verfassungsbeschwerde.
Die Aussetzung der Vollziehung setzt einen im Hauptsacheverfahren "angefochtenen", zudem vollziehbaren Verwaltungsakt sowie Identität zwischen dieser und derjenigen Hoheitsmaßnahme voraus, der gegenüber vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird. Ist z. B. der Einkommensteuerbescheid 2021 unanfechtbar und schwebt nur noch ein Verfahren wegen Ablehnung der Änderung dieses bestandskräftigen Bescheids, kommt Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht, weil dieses Begehren mittels Verpflichtungsklage zu verfolgen ist, für die vorläufiger Rechtsschutz allenfalls im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 114 FGO) gewährt werden kann.
Im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes können zur Glaubhaftmachung von Tatsachen nur sog. präsente Beweismittel verwertet werden, die dem Gericht unmittelbar zugänglich sind (z. B. Urkunden, eidesstattliche Versicherung). Dies gilt deshalb, weil das Verfahren stets ein summarisches Verfahren ist, das den Streitfall nicht eingehend in die Tiefe auslotet, sondern eine Entscheidung ad hoc nach dem gegebenen Stand im Zeitpunkt der Entscheidung fällt. Deshalb verbietet sich z. B. auch eine Vorlage an den EuGH.
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz muss den Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens genau bezeichnen, d. h. aufgrund der Bezeichnung muss das Gericht erkennen können, gegen welchen Verwaltungsakt der Antragsteller sich wendet oder welches behördliche Handeln (Verwaltungsakt) er mit seinem Antrag erreichen will. Dies entspricht der Konkretisierung des Klagebegehrens im Hauptsacheverfahren.
Die Aussetzung der Vollziehung wirkt wie ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt. Als solcher entfaltet sie Wirkungen nur für die Zukunft. Soweit der angefochtene Verwaltungsakt bereits Rechtswirkungen gezeigt hat, z. B. Säumnisfolgen eingetreten sind, bleiben diese deshalb grundsätzlich bestehen. Ihre Beseitigung kann aber im Wege der Aufhebung der Vollziehung erreicht werden. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann bei einem Verwaltungsakt, der bereits seine Erledigung gefunden hat, nicht entschieden werden, dass er rechtswidrig gewesen sei (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO), da dies unzulässiger Weise eine endgültige Regelung, d. h. einen endgültigen Ausspruch vorwegnehmen würde.
Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert, wird der neue Verwaltungsakt automatisch zum Gegenstand des Verfahrens; ein Einspruch ist insoweit gesetzlich ausgeschlossen.