Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Es besteht keine allgemeine Verpflichtung der Finanzverwaltung bei Fragen der Anwendung der Mindestbesteuerung einen Vorläufigkeitsvermerk zu setzen.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH, bei der eine Außenprüfung durchgeführt wurde. Nach der Außenprüfung erließ das Finanzamt unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Steuerbescheide 2004. Hierbei kamen die Bestimmungen zur Mindestbesteuerung nach § 10d EStG und § 10a GewStG zur Anwendung. Die Klägerin legte gegen die Bescheide Einspruch ein und legte hierbei dar, dass aufgrund der Konzernstruktur die Nichtausnutzung von steuerlichen Verlustvorträgen möglich sei. Aufgrund dieser Tatsache begehrte die Klägerin die Einfügung eines Vorläufigkeitsvermerks, da die Rechtmäßigkeit der Bestimmungen zur Mindestbesteuerung fraglich sei. Das Finanzamt lehnte die Einfügung des Vorläufigkeitsvermerks ab, da auf einen Vermerk kein Anspruch entstehe und auch kein Bedürfnis. Es verwies auf eine Änderungsmöglichkeit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Eine Ermessenreduzierung auf 0 dahingehend, dass ein Vorläufigkeitsvermerk zu setzen sei, sei nicht ersichtlich. Zudem sei hier angesichts der Tatsache, dass ein rückwirkendes Ereignis in Betracht komme, in jedem Fall § 175 AO die speziellere, möglicher Weise in Betracht kommende Änderungsnorm. Zwar komme unter Umständen auch ein Vorläufigkeitsvermerk in Betracht, doch gelte dies eben nur, wenn eine Ermessenreduzierung gegeben sei, z. B. weil ein Musterverfahren hinsichtlich der fraglichen Rechtsfrage anhängig sei. Die Verfassungsbeschwerde, die gegen die Anwendung der Mindestbesteuerung anhängig sei, sei kein solches Musterverfahren.
Hinweis
Der durch das FG Köln entschiedene Sachverhalt beinhaltet eine Vielzahl von Fragen aus der Anwendung des § 8c KStG, des Verfassungsrechts sowie auch des steuerlichen Verfahrensrechts. Für die AO soll dabei eine Frage herausgegriffen werden, die immer wieder in der Praxis Bedeutung hat, nämlich inwieweit ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf die Anwendung des § 165 AO besteht. Dies hängt davon ab, welche Alternative des § 165 AO zur Anwendung kommt. Eine Pflicht zur Anwendung besteht nur in den Alternativen des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AO, nicht jedoch bei den beiden anderen Alternativen, insbesondere bei Vorliegen eines Musterverfahrens vor dem BFH (s. Frotscher, in Schwarz, AO, § 165 AO Tz. 57). In diesen Fällen besteht ein Ermessen der Finanzverwaltung, ob § 165 AO berücksichtigt wird oder nicht. Damit besteht eine Pflicht zur Einfügung eines Vorläufigkeitsvermerks nur dann, wenn eine Ermessensreduzierung auf 0 gegeben ist. Dies verneinte das Gericht indes.
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Das Aktenzeichen des BFH ist I R 32/12.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 11.04.2013, 13 K 889/12