Leitsatz
Dem Großen Senat des BFH wird gemäß § 11 Abs. 4 FGO die folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Wie ist im Fall der teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem Einzelbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandvermögen einer Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) die Höhe eines eventuellen Gewinns aus dem Übertragungsvorgang zu ermitteln?
Normenkette
§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin verpachtete im Wege der Betriebsaufspaltung Anlagevermögen an eine Betriebs-GmbH. Zum Betriebsvermögen des Einzelunternehmens gehörten u.a. zwei betrieblich genutzte Grundstücke. Zum 1.1.2005 gründete die Klägerin eine GmbH & Co. KG, bei der sie mit einer Kapitaleinlage von 150.000 EUR einzige Kommanditistin wurde. Gleichzeitig war sie Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH. Die Klägerin erbrachte ihre Einlageverpflichtung durch Übertragung der Grundstücke aus dem Betriebsvermögen ihres Einzelunternehmens zu Buchwerten. Da die Buchwerte zum Einbringungszeitpunkt höher waren als der Nominalbetrag der Einlage, wurde der Differenzbetrag der KG als Darlehen gewährt.
Am 15.3.2005 traten zwei Söhne der Klägerin als weitere Kommanditisten mit Kapitaleinlagen von je 75.000 EUR in die KG ein und erbrachten ihre Einlageverpflichtung durch Einbringung zum Verkehrswert eines ihnen zur Hälfte gehörenden, ebenfalls von der Betriebs-GmbH genutzten Grundstücks, das sie bislang in ihrem Privatvermögen hielten. Der die Kommanditeinlagen und die miteingebrachten Verbindlichkeiten übersteigende Betrag wurde der KG als Darlehen gewährt. Die KG führte hinsichtlich der von der Klägerin eingebrachten Grundstücke die Buchwerte des Einzelunternehmens fort und wies den sich ergebenden Mehrbetrag auf dem "Verrechnungskonto (Privatkonto)" aus. Ebenso verfuhr sie hinsichtlich des Mehrbetrags aus der späteren Einbringung durch die Söhne.
Das FA vertrat die Auffassung, die Übertragung der Grundstücke durch die Klägerin sei nach den Grundsätzen der sog. Trennungstheorie insoweit als entgeltlich anzusehen, als der Klägerin hierfür eine Gutschrift auf ihrem Privatkonto gewährt worden sei und erhöhte dementsprechend das Ergebnis ihres Einzelunternehmens. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.5.2012, 14 K 2982/10, Haufe-Index 3543921). Mit ihrer Revision vertreten die Kläger die Auffassung, die vom FG herangezogene "reine Trennungstheorie" habe keine gesetzliche Grundlage und sei zwischenzeitlich von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgegeben worden.
Entscheidung
Der X. Senat hat mit dem vorliegenden Beschluss die im Leitsatz formulierte Rechtsfrage wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung dem Großen Senat vorgelegt.
Hinweis
Nachdem der X. Senat mit einem ausführlich begründeten Beschluss vom 19.3.2014 (X R 28/12, BFH/NV 2014, 1271, BFH/PR 2014, 286) das BMF zum Beitritt aufgefordert hatte, dürfte der Vorlagebeschluss niemanden überraschen.
1. In seiner Beitrittsaufforderung hatte der Senat zunächst die Frage aufgeworfen, ob im Streitfall möglicherweise kein Teilentgelt, sondern ein Mischentgelt gewährt worden sei. Der X. Senat nimmt jetzt einen teilentgeltlichen Erwerb an. Entscheidend sei, dass die der Klägerin gewährten Gesellschaftsrechte nicht auf Dauer den vollen Differenzbetrag zwischen dem Teilwert der eingebrachten Grundstücke und der eingeräumten Darlehensforderung repräsentierten, da von vorneherein geplant gewesen sei, die Söhne als weitere Kommanditisten aufzunehmen, sodass die Klägerin letztlich keinen vollen Gegenwert für ihre Grundstücke erhalten habe.
2. In der Hauptfrage bestätigt der X. Senat seine bereits im Beitrittsbeschluss geäußerte – damals noch vorläufige – Auffassung, wonach die dogmatischen Argumente, die für die strenge Trennungstheorie sprächen, etwas höher zu gewichten seien als die für die denkbaren Gegenauffassungen sprechenden Erwägungen.
Hierbei setzt sich der X. Senat intensiv mit der vom IV. Senat des BFH vertretenen modifizierten Trennungstheorie auseinander, wobei er zwischen der "modifizierten Trennungstheorie mit Verlustbeitrag" und der "modifizierten Trennungstheorie mit anteiliger Zuordnung des Buchswerts bis zur Höhe des Teilentgelts" differenziert.
Zur Begründung seiner Auffassung beruft sich der X. Senat im Wesentlichen auf das Veranlassungsprinzip und zieht zudem den Aspekt heran, dass nur dadurch teilentgeltliche Übertragungen im Betriebsvermögen sowie im steuerverstrickten Privatvermögen nach denselben Grundsätzen beurteilt werden können.
Nun hat der Große Senat das letzte Wort.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 27.10.2015 – X R 28/12