Leitsatz
Dem Großen Senat des BFH wird gemäß § 11 Abs. 2 FGO folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist einer grundstücksverwaltenden, nur kraft ihrer Rechtsform gewerbliche Einkünfte erzielenden Gesellschaft die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch dann nicht zu gewähren, wenn sie an einer grundstücksverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft beteiligt ist?
Normenkette
§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Die Geschäftstätigkeit der klagenden GmbH & Co. KG beschränkte sich auf das Halten einer Beteiligung an einer GbR, deren Vermögen ausschließlich aus Immobilen bestand. Verwaltet wurden die Immobilien von einer Hausverwaltungs-GmbH. In den Streitjahren 2007 bis 2011 bezog die KG neben ihren Anteilen am Gewinn der GbR lediglich geringfügige Zinseinnahmen.
Das FA versagte der KG die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, weil das Halten der Beteiligung an einer grundstücksverwaltenden Personengesellschaft nicht nach dieser Vorschrift begünstigt sei. Das FG gab der Klage statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6.5.2014, 6 K 6322/13, Haufe-Index 6805773, EFG 2014, 1420). Es sei nicht darauf abzustellen, wer zivilrechtlich Eigentümer des Grundbesitzes sei (hier die GbR), sondern wem der Grundbesitz steuerrechtlich zuzurechnen sei (hier der KG).
Entscheidung
Der IV. Senat des BFH hat den Großen Senat des BFH angerufen. Er stimmt der Auffassung des FG zu und hält die Revision des FA deshalb für unbegründet. Darin läge jedoch eine Abweichung von dem BFH-Urteil vom 19.10.2010 (I R 67/09, BStBl II 2011, 367, BFH/NV 2011, 703). Die Anrufung des Großen Senats war geboten, weil der I. Senat auf Anfrage mitgeteilt hatte, an seinem Urteil weiter festhalten zu wollen.
Hinweis
1. Die Vorlage an den Großen Senat stützt die im Schrifttum und jüngst auch von FG geäußerte Kritik an dem Urteil des BFH vom 19.10.2010 (I R 67/09, BStBl II 2011, 367, BFH/NV 2011, 703). Dort hatte der I. Senat des BFH seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht mehr einer Obergesellschaft gewährt, die lediglich eine Beteiligung an einer ausschließlich eigene Grundstücke verwaltenden Personengesellschaft (Zebragesellschaft) hält.
2. Im Kern geht es um die Frage, ob der Begriff "eigener Grundbesitz" i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zivilrechtliches Eigentum voraussetzt, wie der I. Senat des BFH meint. Im Vorlagebeschluss vertritt der vorlegende IV. Senat demgegenüber die Auffassung, dass es auf die steuerrechtliche Zurechnung des Grundbesitzes ankommt. Besteht die Tätigkeit der Tochterpersonengesellschaft ausschließlich in der Verwaltung eigener Grundstücke und werden die daraus erzielten Einkünfte nicht in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert (z.B. infolge einer Betriebsaufspaltung oder einer gewerblichen Prägung), gilt ertragsteuerrechtlich die sog. Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. Alle Wirtschaftsgüter der Tochtergesellschaft und damit auch die Grundstücke werden den Gesellschaftern nach Bruchteilen zugerechnet und erfüllen für gewerblich beteiligte Gesellschafter dann die Voraussetzungen "eigenen" Grundbesitzes.
3. Weitere Voraussetzung für die erweiterte Kürzung ist, dass "ausschließlich" eigener Grundbesitz verwaltet wird. Bereits das bloße Halten der Beteiligung an der vermögensverwaltenden Tochterpersonengesellschaft wird z.T. als Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsverbot verstanden. Dieser Auffassung stimmt der Vorlagebeschluss jedoch nicht zu. Das Halten der Beteiligung schafft lediglich den Rechtsrahmen dafür, der Obergesellschaft die Anteile am Grundbesitz der Tochtergesellschaft zuzurechnen.
Schädlich kann aber die Übernahme der Geschäftsführung für die Tochtergesellschaft sein, soweit diese über das hinausgeht, was sich aus dem an der Untergesellschaft gehaltenen Anteil an Rechten und Pflichten für die Obergesellschaft ergibt. Übernimmt die Obergesellschaft Geschäftsführungsaufgaben auch im Interesse anderer Beteiligter, dürfte dies jedenfalls dann eine kürzungsschädliche Tätigkeit sein, wenn die Obergesellschaft dafür eine Vergütung erhält.
Link zur Entscheidung
BFH, Vorlegungsbeschluss vom 21.07.2016, IV R 26/14