Dr. Carola Rinker, Prof. Dr. Harald Kessler
1.1 Der Wertmaßstab Anschaffungskosten
Anschaffungskosten sind als Zugangswerte für die von Dritten erworbenen Vorratsgüter anzusetzen. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB definiert sie als "die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können". Diese Definition gilt auch für die Bewertung in der Steuerbilanz.
Als Wertmaßstab ("Aufwendungen") umfassen die Anschaffungskosten nur aufwandsgleiche Kosten. Rein kalkulatorische Elemente sind nicht zu berücksichtigen. Von ihrer Zweckbestimmung her ("um zu erwerben") müssen die Anschaffungskosten unmittelbar auf den Erwerb eines Vermögensgegenstands respektive auf seine Versetzung in einen betriebsbereiten Zustand gerichtet sein. Nach dem darin zum Ausdruck kommenden Prinzip der Maßgeblichkeit der Gegenleistung genügt ein nur zeitlicher oder nur mittelbarer Zusammenhang mit der Anschaffung nicht. Andererseits kommt es nicht darauf an, ob die Aufwendungen für den Erwerb objektiv notwendig waren. Schließlich müssen die Aufwendungen dem beschafften Vermögensgegenstand einzeln zurechenbar sein. Gemeinkosten sind von einer Aktivierung ausgeschlossen.
Einzelkosten können dem jeweiligen Kostenträger nach Menge oder Zeit unmittelbar zugerechnet werden (Kostenträgereinzelkosten). Schlüsselungen, die sich ausschließlich auf den Wert des eingesetzten Produktionsfaktors beziehen, berühren den Einzelkostencharakter nicht. Bezugsobjekt ist der nach den allgemeinen Grundsätzen abgegrenzte Vermögensgegenstand, also die jeweilige Leistungseinheit. Einzelkosten sind stets variable Kosten, d. h., ihre Höhe verändert sich mit dem Beschäftigungsgrad. Sie fallen nicht an, wenn auf die Herstellung des Vermögensgegenstands verzichtet wird.
1.2 Abgrenzung von den Herstellungskosten
In Abgrenzung zu den Herstellungskosten sind Anschaffungskosten auf die Überführung eines existierenden Vermögensgegenstands von einer fremden in die eigene Verfügungsgewalt gerichtet. Das kennzeichnet den derivativen Erwerb als einen zeitpunktbezogenen Vorgang. Da mit dem Erhalt der Verfügungsmacht zugleich das wirtschaftliche Eigentum am beschafften Vermögensgegenstand übergeht, ist er zu diesem Zeitpunkt in die Bilanz des Erwerbers aufzunehmen. Die Anschaffungskosten können dagegen zeitlich vor und nach dem Anschaffungszeitpunkt anfallen. Bei der Beschaffung von Vorräten gilt der Anschaffungskostenzeitraum regelmäßig mit ihrer Einlagerung an der ersten Lagerstelle im Unternehmen als beendet. Aufwendungen für die ggf. nachfolgende Einsortierung von Handelswaren in Verkaufsregale oder die Aufnahme in spezielle Materiallager rechnen danach nicht mehr zu den Anschaffungskosten.
Mehrteilige Vermögensgegenstände
Die Abgrenzung zwischen Anschaffung und Herstellung erweist sich bisweilen als schwierig, wenn ein Vermögensgegenstand im Unternehmen aus mehreren Teilen zusammengesetzt wird. Ein Anschaffungsvorgang ist in diesem Fall anzunehmen, wenn ein Hauptgegenstand unter Verwendung von Zubehörteilen lediglich endmontiert wird. Demgegenüber erfüllt die Be- oder Verarbeitung verschiedener gleich gewichtiger Teile, die nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebensache zueinander stehen, den Tatbestand der Herstellung.