Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Die Durchreichung der Baumaßnahmen des Mieters an den Vermieter führt nicht (zwangsläufig) zu einem Leistungsaustausch. Werden die gemieteten Räumlichkeiten für steuerfreie Umsätze verwendet (Arztpraxis), hat der Mieter keinen Vorsteuerabzug aus den Baurechnungen.
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb in gemieteten Räumlichkeiten eine augenärztliche Gemeinschaftspraxis und erzielte damit umsatzsteuerfreie Umsätze. Um den mietvertragsgemäßen Zustand herzustellen, verpflichtete sich die Vermieterin zur Zahlung eines Baukostenzuschusses in Höhe von 500.000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Die Mieterin beauftragte die Bauleistungen selbst, zahlte die Beträge an die Handwerker, machte daraus den Vorsteuerabzug in Höhe von 95.000 Euro geltend und berechnete die Kosten zuzüglich Umsatzsteuer ihrer Vermieterin. Ausweislich des Mietvertrages (Mietzeit 15 Jahre) bestand keine Verpflichtung zum Rückbau bei Beendigung des Vertrages, ebenso konnte die Mieterin keine Entschädigung beanspruchen, da die Ausbaumaßnahmen mit dem Baukostenzuschuss abgegolten waren. Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung wurde die Fakturierung der Baumaßnahmen gegenüber der Vermieterin als ein nach § 4 Nr. 28 UStG steuerbefreites "Hilfsgeschäft" der Gemeinschaftspraxis beurteilt und der Vorsteuerabzug der Mieterin aus empfangenen Bauleistungen versagt. Umsatzsteuer wurde dennoch festgesetzt, nämlich nach § 14c Abs. 2 UStG.
Entscheidung
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte keinen Erfolg. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass gemäß dem vorliegenden Mietvertrag die Vermieterin nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen verpflichtet war, den Aus- bzw. Umbau der Praxisräume vorzunehmen - schließlich gehörte es zu ihren vertraglichen Hauptpflichten, dem Mieter die Sache in vertragsgemäßem Zustand zu überlassen. Mietgegenstand war nämlich nicht nur der Rohbau, sondern Räume zum Betrieb einer augenärztlichen Tagesklinik. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin/Mieterin mit dem Durchreichen von Praxiseinbauten an die Vermieterin keine umsatzsteuerbare Leistung erbracht. Da kein steuerbarer Vorgang gegeben war, wird die Umsatzsteuer nach Ansicht des Finanzgerichts nach § 14c Abs. 2 UStG von der Mieterin geschuldet. Der Vorsteuerabzug kam nicht in Betracht, weil die Durchreichung der Baukosten als nicht umsatzsteuerbar beurteilt wurde und die übrigen Umsätze der Klägerin grundsätzlich umsatzsteuerfrei waren.
Hinweis
Die konsequente Anwendung des Finanzgerichtsurteils würde natürlich für den Vermieter bedeuten, dass auch er keinen Vorsteuerabzug geltend machen kann, weil die von der Mieterin ausgewiesene Umsatzsteuer nicht die richtige, sondern nur eine nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldete Umsatzsteuer ist.
Unabhängig davon ist meines Erachtens fraglich, ob das Finanzgericht in seiner Beurteilung richtig liegt. Insbesondere nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens v. 23.7.1986 (Umsatzsteuerliche Fragen bei der Errichtung von Gebäuden auf fremden Boden, BStBl 1986 I S.432) kann man zu einem anderen Ergebnis kommen. Das Schreiben gilt ausdrücklich auch für Baumaßnahmen, wie Um-, Aus- oder Einbauten an einem bestehenden Gebäude. Danach gilt u. a. Folgendes: Wenn der Grundstückseigentümer dem Besteller die Herstellungskosten des Bauwerks ersetzt und ihm mit Fertigstellung und Ingebrauchnahme hierfür eine Miete berechnet, so liegt unmittelbar mit der Lieferung des Bauwerks an den Besteller eine Weiterlieferung durch den Besteller an den Grundstückseigentümer vor. Diese müsste auch im vorliegenden Fall umsatzsteuerpflichtig sein, weil eine Steuerbefreiung allenfalls nach § 4 Nr. 28 UStG in Betracht käme. Diese Vorschrift wird aber nicht anzuwenden sein, weil die Gegenstände zuvor noch nicht für eine steuerfreie Tätigkeit verwendet worden sind.
Nach Ansicht des Finanzgerichts ist das BMF-Schreiben zu Bauten auf fremden Boden allerdings gar nicht anwendbar, weil die Praxiseinbauten keine Bauten auf fremden Boden darstellen sollen. Der Ausgang des beim BFH-anhängigen Verfahrens darf daher mit Spannung erwartet werden (Az beim BFH V R 5/18).
Link zur Entscheidung
Sächsisches FG, Urteil vom 18.07.2017, 5 K 880/15