Kommentar
Bei den Verfahren ging es um eine Folgefrage aus dem EuGH-Urteil v. 8.6.2000, C-396/98 (Schlossstraße). In der Rechtssache C-487/01 war streitig, ob die gesetzliche Einschränkung des Optionsrechts auch dann zu einer - zeitanteiligen - Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten eines vermieteten Grundstücks zu Ungunsten des Steuerpflichtigen führen kann, wenn das Optionsrecht bereits für einige Jahre ausgeübt worden ist. Im Prinzip war also streitig, ob auch eine Gesetzesänderung zu einer Änderung der Verhältnisse im Sinne von Artikel 20 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie führen kann.
In der Rechtssache C-7/02 ging es nicht um die Zulässigkeit der Berichtigung des Vorsteuerabzugs aufgrund einer Gesetzesänderung, sondern um die zum gleichen steuerlichen Ergebnis führende Besteuerung von Innenumsätzen im Sinne von Artikel 5 Abs. 7 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie.
Der EuGH hat entschieden, dass es im Falle einer gesetzlichen Einschränkung des Optionsrechts gemäß Artikel 13 Teil C der 6. EG-Richtlinie, die dazu führt, dass ein Vermietungsumsatz nicht mehr als steuerpflichtig behandelt werden kann, nicht ausgeschlossen ist, dass für die noch nicht abgelaufenen Jahre des Vorsteuerberichtigungszeitraums eine Berichtigung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen vorgenommen wird. Der Gerichtshof weist auf den Unterschied zu seinen Urteilen in den Sachen Breitsohl und Schlossstraße hin. Danach gilt der Grundsatz, dass ein einmal entstandenes Vorsteuerabzugsrecht erhalten bleiben muss, nur dann, wenn kein Fall von Betrug oder Missbrauch vorliegt und auch nur vorbehaltlich etwaiger Berichtigungen des Artikels 20 der 6. EG-Richtlinie. Der Gerichtshof stellt klar, dass die Unternehmer bei den der Vorsteuerberichtigung unterliegenden Investitionsgütern nicht darauf vertrauen können, dass im Laufe des Berichtigungszeitraums die Rechtslage nicht zu ihren Ungunsten geändert wird. Vorsteuerberichtigungen für die Zeit noch nicht abgelaufener Berichtigungszeiträume, also für die Zukunft, sind nach dem Urteil auch nach Gesetzesänderungen nicht ausgeschlossen. Allerdings muss eine entsprechende Gesetzesänderung das schutzwürdige Vertrauen der Unternehmer beachten. Sie darf für die Steuerpflichtigen nicht plötzlich und unvorhersehbar kommen, sondern es müssen angemessene Übergangsregelungen getroffen werden.
Die Möglichkeit einer Vorsteuerberichtigung zu Ungunsten des Unternehmers nach einer Gesetzesänderung gilt nicht analog auch für die Fälle von Artikel 5 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten die Zuordnung insbesondere eines im Rahmen des Unternehmens hergestellten Gegenstandes durch den Unternehmer für Zwecke seines Unternehmens einer Lieferung gegen Entgelt gleichstellen, wenn der Erwerb eines solchen Gegenstandes von einem anderen Unternehmer nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigen würde. In der Rechtssache C-7/02 war die Niederländische Finanzverwaltung nach einer das Optionsrecht einschränkenden Gesetzesänderung davon ausgegangen, dass diese Voraussetzung für die Klägerin des Ausgangsverfahrens vorläge und führte eine entsprechende Versteuerung durch. Diese Versteuerung war unzulässig. Artikel 5 Abs. 7 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie bezieht sich ausschließlich auf die Zuordnung eines Gegenstandes durch einen Unternehmer für Zwecke seines Unternehmens und nicht auf eine Gesetzesänderung, mit der ein Optionsrecht eingeschränkt wird. Daher kann auf diesem Wege keine nachträgliche Versteuerung durchgeführt werden. Die Belastung des Unternehmers nach einer Einschränkung des Optionsrechts kann nur im Wege einer Vorsteuerberichtigung nach Artikel 20 der 6. EG-Richtlinie erfolgen.
Das deutsche Umsatzsteuerrecht steht m.E. mit der EuGH-Entscheidung im Einklang. Der BFH hat es bereits bejaht, dass eine Vorsteuerberichtigung auch im Fall einer Gesetzesänderung in Betracht kommen kann (vgl. Urteil vom 14.5.1992, VR 79/87, BStBl II 1992, 983 zur Einführung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG). Von Artikel 5 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie macht das deutsche Steuerrecht keinen Gebrauch, so dass das Urteil insoweit keine Auswirkung haben kann.
Kläger: Gemeente Leusden und Holin Groep BV cs
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-487/01, C-7/02