Leitsatz
1. Eine Holdinggesellschaft, die nachhaltig Leistungen gegen Entgelt erbringt, ist wirtschaftlich tätig und insoweit Unternehmer.
2. Verfügt die Holding über umfangreiche Beteiligungen, die sie ohne Bezug zu ihren entgeltlichen Ausgangsleistungen hält, ist sie entsprechend § 15 Abs. 4 UStG nur insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als die Eingangsleistungen ihren entgeltlichen Ausgangsleistungen wirtschaftlich zuzurechnen sind.
Normenkette
§ 15 UStG 1999, Art. 17 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Eine Holdinggesellschaft hielt ca. 50 Beteiligungen und nur für 2 Gesellschaften erbrachte sie entgeltliche Leistungen und vermietete einen Pkw an einen Arbeitnehmer. Das FA ließ 75 % der nicht unmittelbar die wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Tätigkeit betreffenden Vorsteuerbeträge zum Abzug zu. Das FG meinte, die Obergrenze sei letztlich die Umsatzsteuer für die Ausgangsumsätze (FG München, Urteil vom 28.1.2009, 3 K 3141/05, Haufe-Index 2166285, EFG 2009, 1153).
Entscheidung
Die wesentlichen Kriterien ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Der BFH entschied, bei einer im Verhältnis zum Beteiligungsumfang nebensächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit – wie im Streitfall – dürften jedenfalls nicht mehr als 50 % der Gemeinkosten abgezogen werden. Dass es bei Beteiligungen an 50 Gesellschaften (Bilanzansatz ca. 99 Mio. EUR) und entgeltlichen Leistungen an nur zwei dieser Beteiligungen (ca. 500.000 EUR) selbst für eine Schätzung des Anteils auf 50 % einer substanziierten Begründung bedürfte, liegt auf der Hand.
Hinweis
1. Der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen (Holding) ist ebenso wie deren Verkauf keine "wirtschaftliche Tätigkeit". Denn eine etwaige Dividende ist nur Folge des Innehabens der Beteiligung, nicht dagegen eine – als wirtschaftliche Tätigkeit zu beurteilende – "Nutzung eines Gegenstandes" (Parallelwertung: Vergleichbarkeit mit der privaten Vermögensverwaltung). Drei Ausnahmen sind zu beachten: 1. Gewerbsmäßiger Wertpapierhandel. 2. Die Holdinggesellschaft greift aktiv – durch entgeltliche Leistungen – in die Verwaltung der Beteiligungen ein und übt dadurch insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit aus (dass diese entgeltlichen Leistungen bei Vorliegen einer Organschaft umsatzsteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden, ist dabei ohne Bedeutung). 3. Erwerb, Halten und ggf. auch der Verkauf von Anteilen an den Gesellschaften dient der unmittelbaren, dauerhaften und notwendigen Erweiterung einer bereits steuerbaren Tätigkeit.
2. Holdinggesellschaften, die neben dem bloßen Halten von Beteiligungen nebenbei auch noch eine wirtschaftliche Tätigkeit (entgeltliche Tätigkeiten) ausüben – z.B. die Vermietung einer Garage an Dritte –, neigten zur Annahme, dies eröffne den vollen Vorsteuerabzug für alle Leistungen, auch wenn sie nur die Beteiligung selbst betreffen. Dem stand schon die – nur schwerlich anders zu interpretierende – Rechtsprechung des EuGH und damit übereinstimmend des BFH entgegen, wonach nicht wirtschaftliche Tätigkeiten nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Leistungen, die keinen direkten und unmittelbaren Bezug zu einzelnen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeiten haben, dürfen – nicht anders als Vorsteuer auf Gemeinkosten – entsprechend § 15 Abs. 4 UStG nur abgezogen werden, soweit sie anteilig den wirtschaftlichen Tätigkeiten zuzurechnen sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.2.2012 – V R 40/10