OFD Magdeburg, Verfügung v. 15.2.2005, S 7300 - 90 - St 241, S 7206 - 5 - St 243
1 Allgemeines
Die dauernde Nutzung eines dem Unternehmensvermögen zugeordneten Gebäudeteils für nichtunternehmerische Zwecke stellte nach bisheriger Rechtsauffassung eine gem. § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG steuerbare, aber nach § 4 Nr. 12 a UStG steuerfreie unentgeltliche Wertabgabe dar (vgl. A 24 c Abs. 7 UStR 2000). Dementsprechend war ein Vorsteuerabzug für den nichtunternehmerisch genutzten Gebäudeteil nicht möglich (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Mit seinem o. g. Urteil vom 08.05.2003 hat der EuGH entschieden, dass die Verwendung einer Wohnung in einem insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäude für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen eine steuerpflichtige Dienstleistung darstellt und insoweit unter den übrigen Voraussetzungen zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Der BFH hat sich mit Urteil vom 24.07.2003 (V R 39/99, BStBl. 2004 II S. 371) der Entscheidung des EuGH angeschlossen.
Zu den Auswirkungen der EuGH- und BFH-Rechtsprechung hat das BMF, zeitgleich mit der Veröffentlichung der beiden genannten Urteile, in den folgenden Schreiben Stellung genommen:
- BMF-Schreiben vom 30.03.2004 zur Zuordnung eines Gegenstandes zum Unternehmen, BStBl. 2004 I S. 451
- BMF-Schreiben vom 13.04.2004 zur privaten Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstücks, BStBl. 2004 I S. 469
- BMF-Schreiben vom 13.04.2004 zur Bemessungsgrundlage bei unentgeltlichen Wertabgaben, BStBl. 2004 I S. 468.
Der Inhalt dieser BMF-Schreiben wurde weitestgehend in die Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 (UStR) übernommen. Demnach gelten die nachfolgenden Grundsätze.
2 Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs bei nichtunternehmerisch genutzten Gebäudeteilen
Eine nichtunternehmerische Nutzung von Gebäudeteilen liegt beispielsweise vor bei:
- Nutzung zu eigenen Wohnzwecken,
- unentgeltlicher Überlassung an einen Dritten (z. B. nahestehende Person) für Zwecke außerhalb des Unternehmens,
- Nutzung für den Hoheitsbereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts,
- Nutzung für den ideellen Bereich eines Vereins.
Ein Vorsteueranspruch aus Aufwendungen für einen zu nichtunternehmerischen Zwecken verwendeten Gebäudeteil besteht, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind:
- Zuordnung dieses Gebäudeteils zum Unternehmensvermögen
- Steuerbarkeit der unentgeltlichen Wertabgabe
- Steuerpflicht der unentgeltlichen Wertabgabe.
2.1 Zuordnung eines Grundstücks/Gebäudes zum Unternehmen
2.1.1 Allgemeine Grundsätze
Ein Unternehmer, der ein Grundstück/Gebäude anschafft, einlegt oder herstellt, das er sowohl unternehmerisch (mindestens 10 v. H. gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) als auch nichtunternehmerisch nutzt (sog. gemischt genutztes Grundstück/Gebäude), kann das Grundstück/Gebäude
- insgesamt seinem Unternehmen
- insgesamt seinem nichtunternehmerischen Bereich
- entsprechend dem unternehmerischen Nutzungsanteil seinem Unternehmen und im Übrigen ganz oder teilweise seinem nichtunternehmerischen Bereich
zuordnen (vgl. A 192 Abs. 18 Nr. 2 Sätze 1 bis 4 UStR 2000 bzw. A 192 Abs. 21 Nr. 2 Sätze 1 bis 4 UStR). Vgl. hierzu im Einzelnen auch das EuGH-Urteil vom 04.10.1995 (BStBl. 1996 II S. 392), das im Gegensatz zum BFH-Urteil vom 28.02.2002 (BStBl. 2003 II S. 815) auch eine teilweise Zuordnung des nichtunternehmerisch genutzten Gebäudeteils zum nichtunternehmerischen Bereich zulässt.
Kein Wahlrecht hinsichtlich der Zuordnung zum Unternehmen besteht bei Grundstücken/Gebäuden, die ausschließlich für unternehmerische (zwingende Zuordnung zum Unternehmen) oder nichtunternehmerische Zwecke (zwingende Zuordnung zum nichtunternehmerischen Bereich) genutzt werden. So sind z. B. Gebäude, die insgesamt unternehmerisch genutzt werden, innerhalb dieser Nutzung jedoch teilweise oder insgesamt zur Ausführung vorsteuerschädlicher Umsätze verwendet werden, in vollem Umfang dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen. Insoweit liegt kein gemischt genutztes Grundstück/Gebäude vor.
Vermieter V vermietet alle Wohnungen seines Mietwohngrundstücks steuerfrei an unterschiedliche Mieter.
Das Mietwohngrundstück ist zwingend dem Unternehmensvermögen zuzuordnen, da es ausschließlich zu unternehmerischen Zwecken verwendet wird. Die Ausführungen zum Zuordnungswahlrecht im A 192 Abs. 18 Nr. 2 UStR 2000 bzw. A 192 Abs. 21 Nr. 2 UStR gelten für dieses Grundstück nicht.
Nach dem BMF-Schreiben vom 30.03.2004 (BStBl. 2004 I S. 451) ist bei der Zuordnung von Grundstücken/Gebäuden danach zu unterscheiden, ob sie vor dem 01.07.2004 oder nach dem 30.06.2004 angeschafft, eingelegt oder hergestellt wurden. Auch für die Steuerpflicht der unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9 a Nr. 1 UStG (vgl. Tz. 2.3) und die Entnahme des Grundstücks/Gebäudes (vgl. Tz. 4) ist diese Unterscheidung bedeutsam. Bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Anschaffung oder Herstellung gelten die ertragsteuerlichen Grundsätze (R 44 Abs. 1 EStR 2003, H 44 EStH 2003 "Fertigstellung" und "Lieferung"). Bei Anbauten oder Aufstockungen sowie umfassenden S...