Leitsatz
Der Unternehmer kann sich für den Vorsteuerabzug aus Kosten für Reisen seines Personals, soweit es sich um Übernachtungskosten handelt, unmittelbar auf Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/-EWG berufen. Der Ausschluss dieser Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht nach § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG ist insoweit unanwendbar.
Normenkette
UStG 1999 § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 2 , § 15 Abs. 1a Nr. 2
Sachverhalt
Die Klägerin machte in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für April und Mai 1999 den Vorsteuerabzug aus "belegmäßig nachgewiesenen Reisekosten der Arbeitnehmer für Übernachtung" geltend. Sie hatte dies in einer Anlage zu den Voranmeldungen mitgeteilt und erläutert, dass ein Vorsteuerabzugsverbot ihrer Meinung nach gegen Art. 17 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) verstoße. Die bezeichneten Übernachtungskosten hatte die Klägerin bezahlt. Sie waren überwiegend ihr und in einigen Fällen ihren Arbeitnehmern berechnet worden. Das Finanzamt (Beklagter) setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen in den Bescheiden für April und Mai 1999 ohne die erwähnten Vorsteuerbeträge fest und wies die dagegen eingelegten Einsprüche als unbegründet zurück, weil ein Vorsteuerabzug für Reisekosten ab 1. April 1999 nach § 15 Abs. 1a Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) ausgeschlossen sei, soweit es sich um Übernachtungskosten handele.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg. Das Finanzgericht führte u.a. zur Begründung aus, die Klägerin erfülle die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, soweit sie aus Rechnungen, in denen sie als Leistungsempfängerin bezeichnet worden sei, Vorsteuerbeträge abziehe, die auf Aufwendungen wegen der Übernachtung ihrer Arbeitnehmer bei Dienstreisen entfielen. Der Ausschluss der Reisekosten vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG sei mit Art. 17 Abs. 2 und Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG nicht vereinbar. Insoweit sei die Vorschrift unanwendbar.
Nur soweit in den Rechnungen über Übernachtungsleistungen statt der Klägerin einer ihrer Arbeitnehmer als Leistungsempfänger bezeichnet worden war, wies das FG die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH hat die Rechtsauffassung des FG bestätigt und der Klägerin den Vorsteuerabzug aus Reisekosten, soweit es sich um Übernachtungskosten handelt, unmittelbar aus Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-RL zugestanden.
Zum einen seien die allgemeinen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Vorsteuerabzugs aus § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG erfüllt. Die Klägerin habe, soweit ihr gegenüber in einer Rechnung abgerechnet worden sei, eine Übernachtungsleistung von den Hotelunternehmern empfangen. Dies ergebe sich aus den unstreitig gegebenen zivilrechtlichen Beziehungen. Leistungsempfänger sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zu Grunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist. Die Klägerin konnte zivilrechtlich die Übernachtungsleistung beanspruchen und war zur Zahlung des Übernachtungspreises verpflichtet. Diese Verpflichtung sei auch vertragsgemäß erfüllt worden. Die Klägerin bleibe Leistungsempfängerin, auch wenn sie die Übernachtungsmöglichkeiten tatsächlich ihren Arbeitnehmern eingeräumt habe.
Die Klägerin habe die Übernachtungsleistungen auch für ihr Unternehmen empfangen, weil sie sie bei Auswärtstätigkeiten ihrer Arbeitnehmer beansprucht habe, die für Zwecke ihres Unternehmens ausgeführt worden seien. Der erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen den von der Klägerin bezogenen Übernachtungsleistungen und ihren Ausgangsleistungen sei vorhanden gewesen, weil die Aufwendungen dafür zu den Kostenelementen ihrer besteuerten Umsätze zählten.
Da in solchen Fällen die Erfordernisse des Unternehmens es gebieten, dass der Arbeitgeber die (auswärtige) Übernachtung seiner Arbeitnehmer sicherstellt, erfolge die Organisation der Übernachtung nicht zu unternehmensfremden Zwecken. Ein persönlicher Vorteil, den der Arbeitnehmer dadurch haben könnte, sei gegenüber dem Bedarf des Unternehmens nebensächlich. Eine Überschneidung von unternehmerischen und privaten Interessen spiele somit keine Rolle.
Zum anderen kann der gesetzliche Ausschluss gemäß § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG das Vorsteuerabzugsrecht nicht behindern.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen zwar vor. Die Vorschrift ist aber – soweit sie den Vorsteuerabzug für Reisekosten in Form von Übernachtungskosten ausschließt – nicht anwendbar. Sie ist insoweit mit Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG unvereinbar.
Da auch keine Ermächtigung des Rats nach Art. 27 der 6. EG-RL für einen Vorsteuerausschluss vorliege, sei die Klägerin befugt, sich wegen der Unvereinbarkeit des Ausschlusses der Reisekosten, die auf Übernachtungskosten entfallen, vom Vorsteuerabzugsrecht durch § 15 Abs. 1a Nr. 2 UStG auf das ihr günstigere Gemeinschaftsrecht nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL berufen zu können.
Hinweis
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