Leitsatz
Wechselt ein Landwirt, der einen Stall errichtet, vor dessen Fertigstellung von der Besteuerung nach Durchschnittssätzen zur Regelbesteuerung, können die Vorsteuerbeträge, die vor dem Wechsel angefallen sind, erst ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung nach § 15a UStG 1993/1999 (anteilig) geltend gemacht werden.
Normenkette
Art. 20 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 der 6. EG-RL, § 15a UStG 1993/1999 i.d.F. bis 31.12.2001, § 15a UStG 1999 i.d.F. ab 01.01.2002, § 27 Abs. 8 UStG i.d.F. des StÄndG 2003
Sachverhalt
Ein Landwirt errichtete 1997 und 1998 einen Stall, der im Dezember 1998 fertiggestellt und für landwirtschaftliche Zwecke verwendet wurde. Er verzichtete mit Wirkung zum 01.01.1998 auf die Anwendung des § 24 UStG und beanspruchte – erfolglos – eine Berichtigung für 1998 und 1999 von je 1/10 der in 1997 angefallenen Vorsteuerbeträge.
Die Klage hatte Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 16.02.2006, 16 K 532/03, Haufe-Index 1644179, EFG 2007, 152).
Entscheidung
Der BFH bestätigte dem Grund nach das FG. Allerdings kam für das Jahr 1998 erst eine Berichtigung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung, also ab Dezember, in Betracht. Insoweit hatte die Revision des FA Erfolg.
Hinweis
1. Dass der Wechsel von der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG zur Regelbesteuerung eine Änderung der Verhältnisse darstellt, die bei der Errichtung eines landwirtschaftlich genutzten Gebäudes eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG nach sich zieht, erfordert inzwischen keine BFH-Entscheidung mehr (vgl. Abschn. 215 Abs. 2 Nr. 4 UStR). Für die Jahre vor der vollständigen Umsetzung des Art. 20 der 6. EG-RL (jetzt Art. 184 ff. MwStSystRL) blieb für den Steuerpflichtigen nur die Berufung auf die RL, wenn die betreffende Bestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt ist. Das hatte der EuGH für die Berichtigung bei Investitionsgütern (Art. 20 Abs. 2 der 6. EG-RL/Art. 185 MwStSystRL) bejaht (Urteil vom 30.03.2006, Rs. C-184/04, "Uudenkaupungin kaupunki", BFH/PR 2006, 317, BFH/NV Beilage 2006, 286). Eine Änderung der Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugs berücksichtigt werden, liegt auch beim Wechsel zwischen der Besteuerung nach § 19 und § 24 UStG vor.
2. Die Berichtigung kommt aber erst im Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung des Wirtschaftsguts in Betracht. Ebenso wie die Neufassung des § 15a Abs. 1 UStG ab dem 01.01.2002 stellte auch die alte Fassung des § 15a UStG darauf ab, ob sich "seit dem Beginn der Verwendung" die Verhältnisse geändert haben. Der Vorsteuerabzug ist daher nach beiden Fassungen erst ab der erstmaligen Verwendung des Wirtschaftsguts zu berichtigen. Ob die in § 27 Abs. 8 UStG i.d.F. des StÄndG 2003 angeordnete Rückwirkung des § 15a UStG 1999 n.F. – richtlinienkonform – auch hier eingreift, war deshalb nicht entscheidungserheblich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.06.2008, V R 22/06