2.1 Ausgangslage
Im Geschäftsverkehr kommt es häufig vor, dass Unternehmen Eingangsrechnungen mit ausländischer Mehrwertsteuer erhalten. Angestellte des Unternehmens besuchen Messen und Ausstellungen in anderen Staaten und verursachen Reisekosten. Unternehmer erbringen Wartungs- und Montagearbeiten an von ihnen gelieferten Maschinen beim Kunden im Ausland. Dafür müssen oft vor Ort Ersatzteile beschafft werden. Die Lkw von Speditionen müssen im Ausland betankt und mit dem Einbau von Ersatzteilen repariert werden etc. In all diesen Fällen werden die Unternehmen mit Rechnungen konfrontiert, die ausländische Umsatzsteuer enthalten. Im Gegensatz zu inländischen Rechnungen, die zum Vorsteuerabzug bei der eigenen Umsatzsteuerschuld berechtigen, müssen sich die Unternehmen, soweit sie in dem jeweiligen Staat nicht bereits Umsätze erbringen und damit auch etwaige Vorsteuerbeträge im dortigen Besteuerungsverfahren geltend machen können, bei den Auslandsrechnungen in einem besonderen Erstattungsverfahren von der Umsatzsteuer als Kostenfaktor entlasten.
2.2 Voraussetzungen
Nach den für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlichen Regeln der 2008/9/EG haben ausländische Unternehmer aus der EU, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat für Zwecke ihres Unternehmens Gegenstände erwerben oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ohne dort ansässig zu sein und ohne dort selbst Umsätze ausgeführt zu haben (zu den Ausnahmen s. u.), Anspruch auf Erstattung (Vergütung) der ihnen in Rechnung gestellten Umsatzsteuer (die Vergütung ist somit nicht in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt).
Die Bestimmungen der RL 2008/9/EG verwehren es einem Mitgliedstaat, einem im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässigen Steuerpflichtigen den Anspruch auf Erstattung der MwSt allein deshalb zu versagen, weil er im Mitgliedstaat der Erstattung zu Mehrwertsteuerzwecken registriert ist oder sein müsste. Weder Art. 170 MwStSystRL noch Art. 3 RL 2008/9 unterwirft den Anspruch eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen auf Erstattung der MwSt einer formellen Voraussetzung, im Mitgliedstaat der Erstattung nicht zu MwSt-Zwecken registriert zu sein oder sein zu müssen.
Hinsichtlich der Nichtansässigkeit des antragstellenden Unternehmers reicht es aus, wenn der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers im Ausland (nicht im Erstattungsstaat) liegt. Ob daneben noch ein Wohnsitz im Erstattungsstaat besteht, ist in einem solchen Fall irrelevant. Ein Unternehmer ist bereits dann im Erstattungsstaat ansässig, wenn er dort eine Betriebsstätte hat und von dieser Umsätze ausführt oder beabsichtigt, von dieser Umsätze auszuführen. Nach der Richtlinie 2008/9/EG kommt es für den Begriff des "nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen" für die Beurteilung der Ansässigkeit des antragstellenden Unternehmers auf einen Wohnsitz nur dann an, wenn ein Sitz oder eine feste Niederlassung nicht festzustellen ist.
Der EuGH hat entschieden, dass eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie keine feste Niederlassung i. S. d. Art. 43 MwStSystRL sowie der Art. 44 und 45 MwStSystRL darstellt, wenn der Eigentümer der Immobilie nicht über eigenes Personal für die Leistungsbewirkung im Zusammenhang mit der Vermietung verfügt. Entgegen diesem Urteil geht die deutsche Finanzverwaltung bisher in Abschn. 13b.11 Abs. 2 Satz 2 UStAE noch davon aus, dass Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und steuerpflichtig vermieten, insoweit als im Inland ansässig zu behandeln sind. Für den Fall, dass der Unternehmer am Grundstücksort über kein eigenes Personal verfügt, wird daran in dieser Form nicht festzuhalten sein. Insoweit hat das EuGH-Urteil, wenn es um die Frage geht, ob ein Unternehmer mit einer Betriebstätte in einem Mitgliedstaat, in dem Vorsteuern anfallen, als ansässig zu behandeln ist oder nicht, auch Auswirkungen auf das Vorsteuer-Vergütungsverfahren. Die deutsche Finanzverwaltung hat bisher (Stand: Dezember 2023) nicht auf die v.g. EuGH-Entscheidung reagiert.
Der Betrieb von Windrädern im Inland begründet eine inländische Betriebsstätte, die der Anwendung des besonderen Vorsteuer-Vergütungsverfahrens gem. § 18 Abs. 9 UStG i. V. m. §§ 59 ff. UStDV entgegensteht. Es handelt sich hierbei um ortsfeste Einrichtungen von erheblichem Wert, die einen höchstmöglichen Grad von Beständigkeit aufweisen. Bei einer ortsfesten Betriebsvorrichtung, die ohne Zutun von Personal Umsätze erbringt, ist für die Frage der Ansässigkeit nicht auf das Vorhandensein von eigenem Personal abzustellen. Ungeachtet dessen ist in einem solchen Fall jedenfalls die Beauftragung von Fremdpersonal, etwa für die Durchführung von Wartungsarbeiten, ausreichend.
Der Ausschluss eines Erstattungsanspruchs im Vorsteuer-Vergütungsverfahren gegenüber EU-Unternehmern setzt voraus, dass eine feste Niederlassung des Antragstellers im Mitgliedstaat, in dem er den Vergütungsantrag gestellt hat, tatsächlich steuerbare Umsätze bewirkt hat und nicht bloß dazu in der Lage gewesen wäre. Das Kriterium "ein...