Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Aufwendungen einer erstmaligen Berufsausbildung können als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen sein. § 12 Nr. 5 EStG lässt ebenso wie § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG den Vorrang des Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzugs unberührt.
2. Allein die Möglichkeit, dass diese Berufstätigkeit später auch im Ausland ausgeübt werden könnte, begründet noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang i.S.d. § 3c Abs. 1 1. Halbs. EStG zwischen den Berufsausbildungskosten und später tatsächlich erzielten steuerfreien Auslandseinkünften.
Normenkette
§ 12 Nr. 5, § 3c Abs. 1 1. Halbs., § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 19 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
K hatte nach Abitur und Zivildienst im Januar 2004 einen Ausbildungsvertrag mit der Pilot GmbH abgeschlossen und im Februar 2004 die nicht vergütete Ausbildung aufgenommen. Der Ausbildungsvertrag umfasste Ks Ausbildung als Kopilot zur gewerbsmäßigen Beförderung und für den Erwerb der CPL(A)/IR nach den Vorgaben des Luftverkehrsgesetzes. Nachdem K die Ausbildung 2005 erfolgreich abgeschlossen hatte, war er ab Februar 2006 als First Officer bei der X-Airline in der Türkei tätig und daher in die Türkei verzogen. Erst seit Oktober 2007 war K wieder in Deutschland beschäftigt und wohnhaft. K beantragte, für 2004 einen verbleibenden Verlustabzug i.H.v. 71 813 EUR festzustellen, den er im Wesentlichen mit den ihm entstandenen Ausbildungskosten (ca. 59 000 EUR) begründete. Das FA lehnte unter Hinweis auf § 12 Nr. 5 EStG die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2004 ab. Die Klage blieb erfolglos (FG Baden-Württemberg, Bescheid vom 19.01.2010, 11 K 4253/08, Haufe-Index 2305377, EFG 2010, 788).
Entscheidung
Wie in den anderen Entscheidungen zu den Berufsausbildungskosten verwies auch hier der BFH die Sache an das FG zurück. Das wird zu prüfen haben, ob die Aufwendungen tatsächlich entstanden und inwieweit sie beruflich veranlasst waren.
Hinweis
1. Wie im Besprechungsfall VI R 38/10 (BFH/PR 2011, 377) erging auch dieses Urteil zu der Erstausbildung eines Berufspiloten. Ob § 12 Nr. 5 EStG dem Abzug dieser Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten entgegensteht, beantwortete der BFH mit den Rechtsgrundsätzen aus der Entscheidung VI R 38/10. Hier kam allerdings eine Besonderheit hinzu: K war nach seiner Ausbildung zunächst im Ausland tätig. Stand damit der beantragten Verlustfeststellung § 3c Abs. 1 1. Halbs. EStG entgegen? Diese Norm schließt Ausgaben, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, vom Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug aus. Schon früher hatte der BFH entschieden, dass nur Aufwendungen, die nach ihrer Entstehung oder Zweckbestimmung mit den steuerfreien Einnahmen in einem unlösbaren Zusammenhang stehen, d.h. ohne diese nicht angefallen wären, vom Abzug ausgeschlossen sind (BFH, Urteil vom 26.03.2002, VI R 26/00, BFH/NV 2002, 1085, BFH/PR 2002, 325). Der Regelungszweck des § 3c Abs. 1 1. Halbs. EStG präzisiert das Tatbestandsmerkmal des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs. Denn eine doppelte steuerliche Begünstigung durch die steuerliche Freistellung von Bezügen einerseits und den Abzug von Werbungskosten andererseits soll vermieden werden. Das bedeutet: Die Bezüge und Aufwendungen müssen einander konkret zuzuordnen sein und die Ausgaben und Einnahmen müssen zueinander in einer erkennbaren und abgrenzbaren Beziehung stehen. Der BFH hatte den unmittelbaren Zusammenhang bereits bei Kosten für einen Umzug ins Ausland mit dort beabsichtigter Berufstätigkeit oder bei Aufwendungen für die Tätigkeit als Bürgermeister und dafür erhaltenen steuerfreien Aufwandsentschädigungen angenommen.
2. Im Streitfall verneinte der BFH hingegen eine solche erkennbare und abgrenzbare Beziehung zwischen Aufwand und künftigen Einnahmen. Er sah zwischen ihnen noch keinen solchen unlösbaren Zusammenhang, dass die Aufwendungen ohne die Einnahmen nicht angefallen wären. Der BFH stimmte dem FG darin zu, dass K die Aufwendungen nicht im Hinblick auf die konkrete Anstellung in der Türkei, sondern zur Erlangung einer beruflichen Qualifikation getätigt hatte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.07.2011 – VI R 5/10