Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Ein im Ausland lebender Arbeitnehmer, der die Erzielung inländischer Einkünfte beabsichtigt, kann seine vorab entstehenden Werbungskosten (z. B. Bewerbungskosten) als Verlustvortrag geltend machen. Die Verlustverrechnung erfolgt bei der späteren Einkommensteuerveranlagung.
Sachverhalt
Der Kläger war ein Arbeitnehmer, der im Streitjahr in den USA wohnte und arbeitete, jedoch wieder zurück nach Deutschland wollte und sich deshalb bei diversen deutschen Firmen bewarb. In Deutschland beantragte er die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung und die Feststellung eines Verlustvortrags für die ihm entstandenen Bewerbungs- und Ausbildungskosten. Inländische Einkünfte erzielte er im Streitjahr nicht. Erst im Folgejahr kehrte der Kläger nach Deutschland zurück und nahm dort eine berufliche Tätigkeit auf. Das Finanzamt lehnte den Antrag des Klägers wegen seiner fehlenden persönlichen Steuerpflicht ab.
Entscheidung
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Eine Einkommensteuerveranlagung finde nur bei Personen statt, die in Deutschland steuerpflichtig sind. Der Kläger sei im Streitjahr jedoch weder unbeschränkt noch beschränkt steuerpflichtig gewesen. Die beschränkte Steuerpflicht setze das persönliche Ausüben oder Verwerten der unselbstständigen Arbeit im Inland voraus. Das Schreiben von Bewerbungen und die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen erfülle diesen Tatbestand nicht, so dass eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht in Betracht käme. Dennoch könne der Kläger seine im Streitjahr getätigten berufsbedingten Aufwendungen steuerlich geltend machen. Die Verlustverrechnung sei im Folgejahr vorzunehmen, da der Kläger in diesem Jahr zur Einkommensteuer zu veranlagen sei. Die Abzugsbeträge gingen damit nicht verloren.
Hinweis
Das Urteil des FG ist rechtskräftig. Die Argumentation des FG, dass der Kläger im Streitjahr in Deutschland nicht beschränkt steuerpflichtig gewesen und daher nicht zu veranlagen sei, überzeugt nicht. Das Entstehen von Aufwendungen, die als vorweg genommene Werbungskosten einer zu einem späteren Zeitpunkt ausgeübten Tätigkeit zu qualifizieren sind, erfüllt bereits den Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Sonst macht der Begriff der vorweggenommenen Werbungskosten keinen Sinn. Interessant ist die durch den Streitfall aufgeworfene Rechtsfrage für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger neben den vorweggenommenen Werbungskosten noch andere inländische Einkünfte erzielt. Folgt man der Argumentation des FG, so wären die Aufwendungen nicht mit den anderen inländischen Einkünften verrechenbar, sondern erst mit zukünftigen Einkünften aus einer im Inland ausgeübten nichtselbstständigen Arbeit. Dieses Ergebnis wäre jedoch systemwidrig.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 27.07.2007, 8 K 3952/05