Leitsatz
1. Der vorzeitige unentgeltliche Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht erfüllt als Rechtsverzicht den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. § 25 Abs. 1 ErbStG steht der Tatbestandsmäßigkeit nicht entgegen.
2. Eine Doppelerfassung des Nießbrauchsrechts – sowohl bei der Nichtberücksichtigung als Abzugsposten nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG als auch beim späteren Verzicht des Berechtigten – ist bei der Besteuerung des Nießbrauchsverzichts durch den Abzug des bei der Besteuerung des nießbrauchsbelasteten Gegenstands tatsächlich unberücksichtigt gebliebenen (Steuer-)Werts des Nutzungsrechts von der Bemessungsgrundlage (Steuerwert) für den Rechtsverzicht zu beseitigen.
Normenkette
§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG , § 25 Abs. 1 ErbStG
Sachverhalt
Der Kläger erhielt zunächst im Jahr 1985 von seinem Onkel einen Geschäftsanteil an einer GmbH geschenkt, der damals noch zugunsten eines 1986 verstorbenen Dritten mit einem Nießbrauchsrecht belastet war. Der Kläger musste dieses Nießbrauchsrecht übernehmen und zusätzlich dem Onkel unter der aufschiebenden Bedingung des Ablebens des Dritten ein gleiches Nießbrauchsrecht einräumen.
1991 verkauften der Kläger und die anderen Gesellschafter der GmbH – darunter nach wie vor der Onkel – ihre Geschäftsanteile an der GmbH "frei von Rechten". Das FA sah darin einen Nießbrauchsverzicht des Onkels zugunsten des Klägers und setzte dafür Schenkungsteuer fest.
Einspruch, Klage und Revision, mit denen der Kläger geltend gemacht hatte, § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG stehe der Besteuerung des Wegfalls des Nießbrauchsrechts des Onkels entgegen, blieben ohne Erfolg.
Entscheidung
Auch der BFH behandelte den Nießbrauchsverzicht des Onkels als freigiebige Zuwendung an den Kläger, weil ihm ermöglicht worden ist, seinen Geschäftsanteil unbelastet zu veräußern und dafür das entsprechende Entgelt zu vereinnahmen. Dass auf den ursprünglichen Erwerb des nießbrauchsbelasteten Anteils § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG anwendbar war, steht der Annahme einer weiteren Schenkung in Gestalt des Verzichts auf den Nießbrauch nicht entgegen. Denn § 25 Abs. 1 ErbStG betrifft nicht die Frage nach der objektiven Bereicherung, d.h. nach der Tatbestandsmäßigkeit eines Schenkungsvorgangs, sondern nur den Umfang der Bereicherung nach den erbschaft- und schenkungsteuerlichen Regeln, wozu auch das Abzugsverbot des § 25 ErbStG zählt.
Betrifft aber das Abzugsverbot nach § 25 ErbStG nur die Ermittlung der steuerrechtlichen Bereicherung gem. § 10 ErbStG, kann es auf der Ebene der Tatbestandsmäßigkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG durch die Besteuerung des nachfolgenden Rechtsverzichts nicht zu einer doppelten Erfassung ein und desselben Vermögensgegenstands kommen.
Die als Folge des (steuerrechtlichen) Abzugsverbots nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG auf der Bereicherungsebene mögliche zweimalige steuerliche Erfassung desselben Nutzungsrechts – nämlich sowohl durch Nichtberücksichtigung als Abzugsposten als auch beim späteren Verzicht – widerspricht allerdings dem in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG verankerten Bereicherungsprinzip. Dem ist durch einen Abzug nach Maßgabe des 2. Leitsatzes abzuhelfen.
Hinweis
Die vom BFH vertretene Abzugsmethode (2. Leitsatz) tritt an die Stelle der in H 85 (4) des Amtlichen Erbschaftsteuer-Handbuchs 2003 vorgesehenen Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO.Die Abzugsmethode des BFH vermag allerdings nicht die Steuerersparnis zu verhindern, die dann eintritt, wenn bei der ursprünglichen Schenkung des belasteten Vermögensgegenstands von der Möglichkeit des § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG (Ablösung der gestundeten Steuer mit ihrem Barwert) Gebrauch gemacht worden ist. Auch in solchen Fällen bleibt es beim Abzug des unberücksichtigt gebliebenen Steuerwerts des Nutzungsrechts vom Steuerwert des Rechtsverzichts. Daraus sich ergebende Steuervorteile sind nur durch eine Gesetzesänderung auszuschließen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.3.2004, II R 3/01