Die Ausnahme für die Inanspruchnahme der sachlichen Steuerbefreiung gilt nur unter der Voraussetzung, dass keine weiteren Umstände hinzutreten (BT-Drucks. 20/8628, 160). Fraglich ist, ob der Gesetzgeber damit meint, dass eine Mitteilungspflicht besteht, wenn die Voraussetzungen für die sachliche Steuerbefreiung (noch) nicht vorliegen und der Intermediär dem Nutzer i.R. einer standardisierten Struktur Möglichkeiten aufzeigt, diese herbeizuführen. Dies könnte namentlich beim Herbeiführen der Voraussetzungen für die Begünstigung von Betriebsvermögen nach den §§ 13a, 13b ErbStG der Fall sein.
Gesellschaftsverträge: Voraussichtlich nicht mitteilungspflichtig, weil bereits von der Whitelist für grenzüberschreitende Steuergestaltungen umfasst, wäre die "Änderung eines Gesellschaftsvertrages, um die Voraussetzungen für die erbschaftsteuerliche Begünstigung nach § 13a Abs. 9 ErbStG herbeizuführen."
Ebenfalls von der Whitelist bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen umfasst ist der Abschluss von Poolverträgen zur Herbeiführung der erbschaftsteuerlichen Begünstigung nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Bislang nicht erfasst sind jedoch Poolverträgen i.S.d. § 13b Abs. 4 Nr. 2 ErbStG. Hierbei handelt es sich jedoch offensichtlich um ein Versehen, da eine unterschiedliche Behandlung (letztlich) derselben Gestaltung nicht einleuchtet.
Weitere Gestaltungen zur Herbeiführung der erbschaftsteuerlichen Begünstigung betreffen die Verringerung oder Vermeidung von Verwaltungsvermögen.
Beispiel
Die A GmbH besteht den Verwaltungsvermögenstest nicht. Alleingesellschafter A möchte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an seine Kinder Geschäftsanteile schenken und investiert daher auf Anraten seines Steuerberaters in die Modernisierung seiner Maschinen.
Die Beseitigung oder Verringerung von Verwaltungsvermögen kann – abhängig vom konkreten Einzelfall – als standardisierte Struktur i.S.v. § 138e Abs. 1 Nr. 2 AO angesehen werden, soweit sie inhaltlich so aufgebaut ist, dass sie ohne wesentliche Änderungen in einer Vielzahl weiterer Fälle in gleicher Weise eingesetzt werden kann. Auch der Main-Benefit-Test ist hier erfüllt, da der Hauptvorteil vorliegend die Erlangung der erbschaftsteuerlichen Begünstigung ist.
Fraglich ist jedoch, was hier die mitteilungspflichtige Steuergestaltung sein soll – die Umwandlung von Verwaltungsvermögen in begünstigtes Vermögen oder die sich anschließende Schenkung. Im ersteren Fall führt die Gestaltung zu keinem steuerlichen Vorteil – erst die Schenkung führt dazu, dass die Begünstigungen für Betriebsvermögen in Anspruch genommen werden können. In diesem Fall wäre aber das nachfolgende Beispiel nicht mitteilungspflichtig:
Beispiel
(Sachverhalt wie oben). A möchte jedoch nicht schenken, sondern A bereitet alles vor, damit seine Geschäftsanteile im Erbfall begünstigt auf seine Kinder übergehen können
Der Erbfall an sich stellt keine Gestaltung dar. Kommt es hier nicht zu einer Schenkung, weil man den Erbfall abwartet, stellt sich die Frage, woraus sich die Mitteilungspflicht ergeben soll, da die Umwandlung von "bösem" in "gutes" Vermögen ohne Schenkung oder Todesfall keine erbschaftsteuerlichen Folgen auslöst. Die gilt umso mehr, als bis zum Erbfall ggf. noch viel Zeit vergehen kann, in der sich zum einen die betriebswirtschaftlichen Begebenheiten oder auch die Rechtslage grundlegend ändern können.
Aus Sicht des Gesetzgebers werden beide Handlungsstränge zusammen betrachtet werden müssen. Da es nicht darauf ankommt, ob der steuerliche Vorteil letztlich eintritt, sondern ausreicht, wenn die Erlangung eines steuerlichen Vorteils beabsichtigt ist, erscheint die Beseitigung des schädlichen Verwaltungsvermögens mit Blick auf eine zukünftige Schenkung oder einen zukünftigen Erbfall als solches als mitteilungspflichtige Gestaltung. Beide Fallgestaltungen können mitteilungspflichtig sein, auch wenn der steuerliche Vorteil erst im Erbfall und damit ggf. erst viele Jahre später oder – falls sich die Rechtslage bis dahin wieder geändert haben sollte – gar nicht eintritt. Gleiches dürfte für Steuergestaltungen im Zusammenhang mit der Beseitigung von Vermögen i.S.d. § 28a Abs. 2 Nr. 2 ErbStG gelten.
Ob letztendlich eine Mitteilungspflicht besteht, hängt entscheidend davon ab, ob die konkrete Gestaltung als standardisierte Struktur anzusehen ist. Da es in vielen Fällen auf die konkreten Gegebenheiten des jeweiligen Unternehmens ankommt, die bei jedem Unternehmen unterschiedlich sind, wird die standardisierte Struktur nicht zwangsläufig vorliegen.
Nach Auffassung des BMF scheinen Gestaltungen zur Vermeidung oder Verringerung des Verwaltungsvermögens grundsätzlich mitteilungspflichtig zu sein. In einem frühen Entwurf des BMF-Schreibens v. 29.3.2021 waren solche (grenzüberschreitenden) Gestaltungen noch ausdrücklich von der Whitelist umfasst. Es bleibt daher zu hoffen, dass sie wieder Einzug in die Whitelist finden, da es der Intention des Gesetzgebers entspricht, begünstigtes Vermögen begünstigt zu übertragen. Warum dies nicht der Fall...