Leitsatz
Ist ein Ehegatte gem. § 25 EStG zur ESt zu veranlagen und wird auf seinen Antrag eine getrennte Veranlagung durchgeführt, ist auch der andere Ehegatte gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG zwingend getrennt zu veranlagen. Für die Veranlagung des anderen Ehegatten kommt es in einem solchen Fall auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis Nr. 8 EStG nicht mehr an.
Normenkette
§ 25, § 26 Abs. 2 Satz 1, § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin erzielte in den Streitjahren 1997 bis 2000 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Der LSt-Abzug wurde antragsgemäß nach der Steuerklasse III durchgeführt. Ihr Ehemann, von dem die Klägerin nicht dauernd getrennt lebte, erzielte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Er beantragte für die Streitjahre die Durchführung der getrennten Veranlagung.
Nach Aufforderung durch das FA reichte die Klägerin die ESt-Erklärungen ein. Sie teilte gleichzeitig mit, sie sei nicht zu veranlagen; sie stelle auch keinen Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG. Das FA veranlagte (auch) die Klägerin für die Streitjahre getrennt zur ESt. Aufgrund des bei der Klägerin vorgenommenen LSt-Abzugs nach Steuerklasse III führten ihre Veranlagungen zu erheblichen Nachzahlungen.
Das FA wies die gegen die ESt-Bescheide erhobenen Einsprüche der Klägerin zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Für die Klägerin sei zwingend eine Veranlagung (in Form der getrennten Veranlagung) durchzuführen.
Für eine einschränkende Interpretation von § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG in dem Sinn, dass die Vorschrift auch im Fall der Wahl getrennter Veranlagung durch einen Ehegatten hinsichtlich des anderen Ehegatten nur regle, wie letzterer (nicht jedoch, ob dieser) zu veranlagen sei, bestehe kein Anlass.
Die Veranlagung der Klägerin verstoße auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Aus dieser Vorschrift ergebe sich keine Verpflichtung für den Gesetzgeber, Steuerpflichtige vor den Folgen ihrer selbst gewählten, möglicherweise weniger vorteilhaften Gestaltungsformen zu bewahren oder die rückwirkende Korrektur von im Nachhinein als nachteilig sich erweisenden Sachverhaltsgestaltungen zu gestatten, soweit die Begünstigung aus Gründen, die in der Sphäre des Begünstigten liegen, entfällt und der Gesetzgeber gleichzeitig Gestaltungsformen zulässt, die es gestatten, die Begünstigungen fortzuführen.
Hinweis
1. Nach § 26 Abs. 1 EStG können Ehegatten unter den weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a EStG), Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) und – für den VZ der Eheschließung – besonderer Veranlagung (§ 26c EStG)wählen. Gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG werden Ehegatten getrennt veranlagt, wenn einer der Ehegatten getrennte Veranlagung wählt. Eine Zusammenveranlagung kommt nur in Betracht, wenn beide Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen (§ 26 Abs. 2 Satz 2 EStG) oder wenn sie keine Erklärungen abgeben (§ 26 Abs. 3 EStG). Folglich sind nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG zwingend getrennte Veranlagungen für beide Ehegatten durchzuführen, wenn einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung verlangt.
2. Mit dieser Entscheidung schließt sich der BFH der ganz überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung, der Verwaltung und der Literatur an, wonach die Veranlagungsart für beide Ehegatten nur einheitlich angewendet werden kann. Der BFH folgt damit nicht einer vereinzelt im Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach die Entscheidung eines Ehegatten für die getrennte Veranlagung nur zur Folge habe, dass die Veranlagungsvoraussetzungen i.S.v. § 46 Abs. 2 EStG für jeden Ehegatten gesondert zu prüfen seien. Das heißt, nach Auffassung des BFH ist die getrennte Veranlagung für den anderen Ehegatten auch dann zwingend durchzuführen, wenn für diesen – isoliert – die Voraussetzungen nach § 46 Abs. 2 Nrn. 1 bis 8 EStG nicht vorliegen. Wäre es anders, stellte die Veranlagungsart der getrennten Veranlagung – wie vereinzelt propagiert – ein "besonderes Steuersparmodell" dar, und zwar insbesondere dann, wenn die Ehegatten die Steuerklassen III und V gewählt haben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.9.2006, VI R 80/04