Leitsatz
Ein steuerliches Wahlrecht kann bis zur Bestandskraft eines nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheids erstmalig ausgeübt werden. Voraussetzung ist, dass sich die bei Wahlrechtsausübung ergebende Änderung i. R. d. § 351 Abs. 1 AO hält.
Sachverhalt
Streitig ist, ob im Einspruchsverfahrens gegen einen gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid das Wahlrecht zur laufenden Besteuerung von Veräußerungsrenten neu ausgeübt werden kann. Nach bestandskräftiger Veranlagung für das Streitjahr erging ein nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderter Einkommensteuerbescheid. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein und beantragte die nachgelagerte Besteuerung für den Teil eines Veräußerungsentgelts in Höhe von 161.000 EUR, der auf die abgeschlossenen Rentenversicherungen entfiel. Das Finanzamt vertrat jedoch die Auffassung, die Kläger könnten das Wahlrecht grundsätzlich nur bis zur formellen Bestandskraft der Veranlagung ausüben. Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, dass im Streitfall entscheidend sei, dass der formell bestandskräftig gewordene Erstbescheid mit steuererhöhender Wirkung geändert worden sei und sich erst mit dem geänderten Bescheid die wirtschaftliche Notwendigkeit ergeben habe, sich mit der Ausübung des Wahlrechts zu befassen.
Entscheidung
Das Finanzgericht stellte zunächst fest, dass die Voraussetzungen für eine Wahl der nachgelagerten Besteuerung gem. § 24 Nr. 2 i. V. m. § 15 EStG der Renten, die dem Kläger aus den vom Erwerber abgeschlossenen Rentenversicherungen zufließen, im Streitfall erfüllt sind und dass die Kläger von ihrem Wahlrecht noch im Einspruchsverfahren gegen den gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid Gebrauch machen konnten. Wenn die steuerlichen Auswirkungen der Ausübung des Antrags- oder Wahlrechts nicht über den durch § 351 AO gezogenen Rahmen hinausgehen, wird die zeitliche Grenze für die erneute oder anderweitige Ausübung eines Wahlrechts jedenfalls dann erst durch die formelle Bestandskraft des steuererhöhenden Änderungsbescheids gezogen, wenn erst durch die erstmalige Erfassung eines weiteren steuererheblichen Sachverhalts im Änderungsbescheid überhaupt die wirtschaftliche Notwendigkeit entsteht, sich mit der geänderten Ausübung eines einkommensteuerrechtlichen Antrags- oder Wahlrechts für denselben Veranlagungszeitraum zu befassen.
Hinweis
Im Streitfall steht auch nicht entgegen, dass die Ausübung des Wahlrechts die Kläger für mehrere Veranlagungszeiträume - nämlich für alle Zeiträume mit Rentenzahlung - bindet. Denn keiner dieser ab 2015 betroffenen Veranlagungszeiträume ist bisher bestandskräftig veranlagt worden.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 16.03.2017, 10 K 2391/16