[Ohne Titel]
RAin Daniela Bick, LL.M. (Taxation)
Die AStBV (St) sollten für die Finanzbehörden als Orientierungs-Handbuch zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensweise verstanden werden und für die Verteidigung in Steuerstrafsachen als Hilfsmittel, um die Finanzbehörde auf die Einhaltung dessen zu verweisen, wozu sie im Rahmen ihrer Selbstbindung durch die AStBV (St) verpflichtet ist. In dem Beitrag wird untersucht, was an der aktuellen Fassung der AStBV (St) 2023/2024 wirklich neu ist.
I. Einleitung
Strafrecht ist formalisierte Sozialkontrolle. Das unterscheidet Strafrecht von der Willkür privater Sozialkontrolle (Salditt, Eröffnungsvortrag des 26. Strafverteidigertages, Mainz 8.–10.3.2002). Diese Feststellungen gelten für das Steuerstrafrecht in besonderem Maße. Und sie bedeuten auch, dass bereits dem materiellen (Steuer)Strafrecht die Legitimation abhandenkommt, wenn im (steuer)strafrechtlichen Verfahrensrecht die Grundsätze nicht gelten, die wir als formalisiertes Verfassungsrecht bezeichnen können: Unschuldsvermutung, Zweifelssatz, Fairnessprinzip. Mit Blick darauf sollten die Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren verstanden und auch wertgeschätzt werden. Als Handbuch für die Finanzbehörden in Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenverfahren einerseits, damit die Finanzbehörden Orientierung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensweise bei ihrer Arbeit haben. Und natürlich als Arbeitshilfe für die Verteidigung in Steuerstrafsachen, damit die Verteidigung die Finanzbehörde auf die Einhaltung dessen verweisen kann, wozu die Finanzbehörde im Rahmen ihrer Selbstbindung durch die AStBV (St) verpflichtet ist. Nachfolgend soll nun betrachtet werden, was an der aktuellen Fassung der AStBV (St) wirklich neu ist, also neu im Vergleich zu den AStBV (St) 2022 (zu den letzten Änderungen in der AStBV (St) 2022, vgl. Esskandari, AO-StB 2023, 103). In Anlehnung an das Update dazu werden die Änderungen schlagwortartig als "nützlich", "neutral" oder "nachteilig" aus Verteidigersicht bewertet (BMF v. 29.5.2019, BStBl. I 2019, 480; v. 15.6.2022, BStBl. I 2022, 972).
II. Abschnitt 1 Abs. 3 Zwischenstaatliche Amts- und Rechtshilfe (neutral)
Im Rahmen der zwischenstaatlichen Amts- und Rechtshilfe in Steuer- und Steuerstrafsachen aktualisieren die AStBV (St) 2023/2024 die Hinweise auf die einschlägigen BMF-Schreiben. Die Rechtsgrundlagen der zwischenstaatlichen Amts- und Rechtshilfe in Steuer- und Steuerstrafsachen ergeben sich danach aus den §§ 117, 117a, 117b AO, dem Gesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen sowie multi- und bilateralen Verträgen. Wegen der zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen wird auf das BMF, Schr. v. 29.5.2019, BStBl. I 2019, 480 und wegen der zwischenstaatlichen Rechtshilfe in Steuerstrafsachen auf das BMF, Schr. v. 15.6.2022, BStBl. I 2022, 972 hingewiesen.
III. Nr. 19 Gleichgestellte Straftaten (neutral)
Zu den, den Steuerstraftaten gleichgestellten Straftaten aktualisiert Nr. 19 Katalog der gleichgestellten. Als rechtlich überholt entfallen sind Betrug in Bezug auf Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz und auf Investitionen nach dem Investitionszulagengesetz. Gleiches gilt für Subventionsbetrug nach dem Investitionszulagengesetz. Auch bei den längsten, hier überhaupt in Betracht kommenden Verjährungsfristen kann ausgeschlossen werden, dass derartige Verfahren in der Strafrechtswirklichkeit noch entdeckt und dann auch noch verfolgbar wären oder dass derartige Verfahren aktuell noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind. Hinzugekommen sind dagegen die ungerechtfertigte Erlangung von Energiepreispauschalen und Arbeitnehmer-Sparzulagen.
IV. Nr. 35 Akteneinsicht (nützlich)
Vor Abschluss der Ermittlungen (§ 169a StPO) ist dem Verteidiger auf Antrag Einsicht in die Protokolle über Vernehmungen des Beschuldigten, über richterliche Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie in Sachverständigengutachten zu gewähren (§ 147 Abs. 3 StPO). Die Einsichtnahme in die übrigen Vorgänge sowie die Besichtigung von Beweisstücken kann verwehrt werden, soweit dies den Untersuchungszweck gefährden kann (§ 147 Abs. 2 S. 1 StPO). Dies ist z.B. anzunehmen, wenn Untersuchungshandlungen vorbereitet sind, deren vorzeitiges Bekanntwerden verhindert werden soll. Befindet sich der Beschuldigte allerdings in Untersuchungshaft oder ist diese im Fall der vorläufigen Festnahme beantragt, sind dem Verteidiger diejenigen Informationen zugänglich zu machen, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung wesentlich sind; i.d.R. ist insoweit Akteneinsicht zu gewähren (§ 147 Abs. 2 S. 2 StPO).
Mit Abschluss der Ermittlungen ist dem Verteidiger uneingeschränkt Akteneinsicht zu gewähren und die Besichtigung von Beweisstücken zu gestatten (§ 147 Abs. 1, 2 StPO). Dies gilt auch für Steuerakten, die zum Zwecke der Beweisführung für das Strafverfahren herangezogen werden.
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