Leitsatz

1. Fällt die Unternehmensidentität und damit die sachliche Gewerbesteuerpflicht während des Kalenderjahrs weg, ist der Gewerbesteuermessbetrag für einen abgekürzten Erhebungszeitraum festzusetzen.

2. Ob der bisherige Gewerbebetrieb eingestellt und (ggf.) ein neuer Gewerbebetrieb in Gang gesetzt wird, bestimmt sich danach, ob der "bisherige" und der "neue" Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und nach der Verkehrsauffassung identisch sind. Dies richtet sich nach den gleichen Kriterien, die für die Bestimmung der Unternehmensidentität im Rahmen des § 10a GewStG entwickelt wurden. Dabei steht die Überführung wesentlicher Betriebsgrundlagen, insbesondere von Wirtschaftsgütern mit erheblichen stillen Reserven, der Einstellung des "bisherigen" Betriebs nicht entgegen (Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5, § 10a, § 14 GewStG

 

Sachverhalt

Eine GmbH & Co. KG unterhielt ein Kraftwerk, das sie als Erbbauberechtigte auf dem Grundstück einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Z) errichtet hatte. Zum 30.10.2012 veräußerten die bisherigen Kommanditisten – eine Anstalt öffentlichen Rechts und eine Stiftung – ihre Anteile an diese Körperschaft, die seither das Kraftwerk selbst betrieb und Gebäude und Betriebsvorrichtungen von der KG pachtete.

Das FA setzte für die KG einen GewSt-Messbetrag für den Erhebungszeitraum 2012 fest. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zog das FA von dem Gewinn einen auf den 31.12.2011 festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust zu 10/12 in der Weise ab, dass es 10/12 von 1 Mio. EUR und 60 % von 10/12 des Restbetrags als abziehbar behandelte. 2/12 des Verlusts seien wegen Wegfalls der Unternehmeridentität ab 1.11.2012 untergegangen.

Die KG war der Auffassung, der Verlust sei nicht nur zu 10/12, sondern im Rahmen des § 10a GewStG voll abzuziehen, hatte mit ihrer diesbezüglichen Klage aber beim FG keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.5.2017, 1 K 3691/15, Haufe-Index 10886932, EFG 2017, 1183).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil auf und verwies das Verfahren an das FG zurück. Das FG sei zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Unternehmensidentität nicht infolge der Anteilsveräußerungen verloren gegangen sei. Sie könne aber durch Übergang von einer eigenbetrieblichen Tätigkeit zur Betriebsverpachtung weggefallen sein. Dies hätte dann auch zum Ende der sachlichen Steuerpflicht geführt, ungeachtet dessen, dass das Kraftwerk weiterhin wesentliche Betriebsgrundlage geblieben sei. Ob das Kraftwerk vor der Verpachtung selbst von der KG betrieben worden sei, bedürfe noch weiterer Feststellungen.

 

Hinweis

1. Das Urteil betrifft die Nutzung eines gewerbesteuerlichen Verlustvortrags nach der Umstrukturierung einer Personengesellschaft.

Die Verrechnung eines Gewinns mit Verlustvorträgen setzt gewerbesteuerlich Unternehmer- und Unternehmensidentität voraus. Bei einer Personengesellschaft hängt die Unternehmeridentität von der Identität der Mitunternehmer ab, die den vorgetragenen Verlust erlitten und den jetzigen Gewinn erzielt haben. Unternehmensidentität bedeutet, dass die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung im Verlust- und späteren Gewinnjahr wirtschaftlich identisch ist. Hat sich die gewerbliche Betätigung zwischenzeitlich so verändert, dass nicht mehr von einer Unternehmensidentität ausgegangen werden kann, muss vom Ende des bisherigen und dem Beginn eines neuen Gewerbebetriebs und damit der sachlichen Gewerbesteuerpflicht ausgegangen werden.

2. Scheidet ein Mitunternehmer aus, nachdem der vortragsfähige Verlust entstanden ist, geht der auf ihn anteilig entfallende Verlustvortrag unter. Geschieht dies unterjährig, können Gewinne bis zu diesem Zeitpunkt noch vollständig mit dem Verlustvortrag verrechnet werden. Im Urteilsfall hatten die beiden einzigen Kommanditisten einer GmbH & Co. KG ihre Anteile zum 31.10. veräußert, was zur Folge hatte, dass der gesamte Verlustvortrag mit der Veräußerung unterging, aber noch mit bis zum 31.10. erzielten Gewinnen einschließlich der hier steuerbaren Veräußerungsgewinne verrechnet werden konnte.

Das FA wollte entsprechend R 10a.3 GewStRzeitanteilig 10/12 vom Gesamtgewinn des ganzen Jahres zur Verrechnung zulassen, während die KG von einer Verrechnung mit dem Gewinn bis zum Ausscheidenszeitpunkt ausging. Dies war für die KG günstiger, weil nach dem Gesellschafterwechsel erhebliche Verluste entstanden waren.

3. Auf diese Streitfrage kommt es aber dann nicht an, wenn mit der Umstrukturierung zugleich ein Wechsel der Unternehmensidentität eingetreten ist. Auch dieser führt zum Wegfall des Verlustvortrags, aber zugleich zu einem Ende der sachlichen Steuerpflicht und damit im Streitfall zu einem abgekürzten Erhebungszeitraum bis zum 31.10., in dem die Verluste verrechnet werden müssen. Die neuen Verluste ab 1.11. wären dann in dem anschließenden Erhebungszeitraum für den neuen Betrieb entstanden.

4. Ob ein Ende der Unternehmensidentität eingetreten war, war im Urteilsfall nicht eindeutig zu erkennen, weil Feststellungen...

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