Besteuerungsszenarien im Post-Exit-Zeitraum

[Ohne Titel]

Dipl.-Finw. (FH) Sergej Müller, M.A. Taxation, StB/FBIStR[*]

Ein steuerlicher Wegzug hat verschiedene Konsequenzen, so dass entsprechende Situationen sorgfältig zu planen sind. Neben den möglichen Wegzugs- und Entstrickungssteuern im Zeitpunkt des Wegzuges sowie den steuerlichen Konsequenzen im Zuzugsstaat sind auch nacheilende Steuerpflichten im Inland zu berücksichtigen. Die durch den Wegzug resultierende Vervielfachung der Besteuerungsrechte ist unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse abzustimmen, um mögliche Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über Besteuerungsszenarien im Post-Exit-Zeitraum.

[*] Sergej Müller ist Steuerberater und Fachberater für Internationales Steuerrecht. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der steuerzentrierten Gestaltungsberatung von inhabergeführten Unternehmen sowie der steuerlichen Strukturierung großer Familienvermögen.

I. Einleitung

Die Wegzugsbesteuerung und auch deren Vermeidung spielen in der steuerlichen Gestaltungsberatung infolge einer zunehmenden internationalen Mobilität eine zentrale Rolle. Der Fokus dieser Gestaltungsüberlegungen liegt dabei auf der Vermeidung einer ad hoc-Besteuerung mit Wegzug – sei es z.B. in Gestalt von Wegzugssteuern i.S.d. § 6 AStG oder in Gestalt von Entstrickungssteuern nach Maßgabe des § 16 Abs. 3a oder § 4 Abs. 1 S. 3 ff. EStG.

Die gesamtstrategische Beratung muss dabei jedoch

  • neben der Vermeidung der Wegzugs- bzw. Entstrickungsbesteuerung an sich
  • auch mögliche Besteuerungsszenarien in einer Post-Exit-Situation

im Auge haben. Durch die potentielle Vervielfachung von Besteuerungszugriffen in- und ausländischer Staaten drohen nach einem Wegzug mehrfache Besteuerungszugriffe, die es vor dem Hintergrund einer Asset Protection zu vermeiden – zumindest aber ideal aufeinander abzustimmen – gilt.

Der nachfolgende Artikel soll

  • zunächst die inländischen Besteuerungsrechte vor Wegzug untersuchen und
  • schließlich anhand eines Ausgangsbeispiels mögliche Besteuerungszugriffe in einer Post-Exit-Phase analysieren.

Neben ertragsteuerlichen Aspekten sollen im Folgenden auch erbschaftsteuerliche Implikationen nach Wegzug analysiert werden.

II. Ausgangssituation

1. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung

Allen voran sollen die Anknüpfungspunkte der Besteuerung für die Zeiträume vor Wegzug bzw. mit Wegzug dargestellt werden, die im Weiteren in ertragsteuerliche und erbschaftsteuerliche Anknüpfungspunkte unterteilt werden.

a) Ertragsteuerliche Anknüpfungspunkte

Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht: Anknüpfungspunkt der Besteuerung mit Einkommensteuer ist die unbeschränkte Steuerpflicht. Natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) haben, sind nach § 1 Abs. 1 S. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.[1] Folge der unbeschränkten Steuerpflicht ist die Besteuerung des Welteinkommens nach § 2 Abs. 1 EStG.[2]

Ein weiterer Anknüpfungspunkt der Besteuerung findet sich in § 1 Abs. 2 EStG für Bedienstete mit deutscher Staatsangehörigkeit, die zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Dienstverhältnis stehen und daraus aus einer öffentlichen Kasse einen Arbeitslohn beziehen (sog. Kassenstaatprinzip[3]).[4] Letztlich ergibt sich eine unbeschränkte Steuerpflicht infolge der Rechtsprechung in Sachen Schumacker[5] in § 1 Abs. 3 EStG für solche Personen, die einen entsprechenden Antrag auf unbeschränkte Steuerpflicht stellen.[6]

Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG: Mit Wegzug resultiert ein weiterer Anknüpfungspunkt für die Besteuerung solcher Steuerpflichtiger, die im Zeitpunkt des Wegzuges eine Beteiligung i.S.d. § 17 EStG halten. Insoweit kann mit einem Wegzug eine Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG greifen. Die Wegzugsbesteuerung knüpft dabei tatbestandsseitig in § 6 Abs. 1 S. 1 AStG

  • an die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts,
  • an die unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person sowie
  • subsidiär[7] an den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an.[8]

Rechtsfolge ist eine Besteuerung der stillen Reserven in den Anteilen, da der Wegzug als Veräußerung gilt.[9]

Eine ähnliche Regelung ergibt sich mit Wegzug für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens bzw. für betriebliche Sachgesamtheiten, wenn nach § 4 Abs. 1 S. 3 ff. EStG bzw. § 16 Abs. 3a EStG mit dem Wegzug ein Ausschluss oder eine Beschränkung inländischer Besteuerungsrechte einhergeht.[10] Insoweit gelten die Wirtschaftsgüter respektive die betrieblichen Sachgesamtheiten fiktiv als entnommen.[11]

[1] Für einen Gesamtüberblick s. Siebing, ISR 2021, 104.
[2] Gosch in Kirchhof/Seer, § 1 EStG Rz. 1 (23. Aufl. 2024).
[3] Gosch in Kirchhof/Seer, § 1 EStG Rz. 10 (23. Aufl. 2024).
[4] Für weitere Details s. Gosch in Kirchhof/Seer, § 1 EStG Rz. 9 ff. (23. Aufl. 2024).
[6] Für weitere Details s. Gosch in Kirchhof/Seer, ...

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