Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 93
Eine Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile einer Gesellschaft in einer Hand (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) liegt u. a. auch vor, wenn die Anteile in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden. Die Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen bzw. nur von abhängigen Unternehmen ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ein besonders geregelter Fall der mittelbaren Anteilsvereinigung (BFH v. 16.1.1980, BStBl II 1980, 360). Das Abhängigkeitsverhältnis ersetzt dabei die sonst für die mittelbare Anteilsvereinigung in einer einzigen Hand erforderliche direkte oder indirekte mindestens 90-prozentige Beteiligung des Erwerbers an zwischengeschalteten Gesellschaften (BFH v. 8.8.2001, BStBl II 2002, 156). Was als abhängige natürliche oder juristische Personen anzusehen ist, ist in § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a und b GrEStG definiert. Als abhängige Unternehmen kommen in erster Linie juristische Personen des Zivil- und Handelsrechts in Betracht. Abhängiges Unternehmen kann aber auch eine Personengesellschaft sein, wenn deren Gesellschafter entweder das herrschende Unternehmen und abhängige juristische Personen oder nur abhängige juristische Personen sind (BFH v. 8.8.2001, BStBl II 2002, 156). Damit enthält das GrEStG eine eigene Definition des Rechtsinstituts der Organschaft, die an § 2 Abs. 2 UStG angelehnt ist. So ist bei den als abhängig geltenden juristischen Personen Voraussetzung für die Annahme eines Organschaftsverhältnisses, dass diese juristische Personen finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das herrschende Unternehmen eingegliedert sind. In solchen Fällen werden das herrschende Unternehmen (Organträger) und das oder die abhängigen Unternehmen (Organgesellschaften), die einen Organkreis bilden, als "eine" Hand i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG behandelt. Finanzielle Eingliederung bedeutet das Innehaben der nach Gesetz und Satzung notwendigen Mehrheit der Anteile zur Durchsetzung der bedeutenden Entscheidungen der Gesellschaft (vgl. BFH v. 14.12.1978, BStBl II 1979, 288). Letztlich maßgebend ist die Stimmenrechtsmehrheit. Die erforderliche wirtschaftliche Eingliederung ist in der Verflechtung der geschäftlichen Tätigkeiten des Organträgers und des Organs erkennbar (vgl. BFH v. 17.4.1969, BStBl II 1969, 413). Die organisatorische Eingliederung liegt vor, wenn gewährleistet ist, dass der Organträger seinen Willen in der Organgesellschaft (z. B. über einen Beherrschungsvertrag) durchsetzen kann; sie wird in der Praxis i. d. R. durch personelle Verflechtungen in den Entscheidungsträgern der Gesellschaften (z. B. Geschäftsführung, Aufsichtsrat) sichergestellt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt und ist demnach vom Bestehen einer Organschaft auszugehen, werden das herrschende Unternehmen (Organträger) und das abhängige Unternehmen (Organ oder Organgesellschaft) als eine Hand i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG behandelt.
Das herrschende Unternehmen, in dessen Hand die Anteilsvereinigung eintritt, kann sowohl eine natürliche Person, eine Personengesellschaft oder eine juristische Person sein. Da § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG eine herrschende Person nicht kennt, ist die Vorschrift nicht anwendbar, wenn eine natürliche Person die Beteiligungen an den nachgeordneten Unternehmen in ihrem Privatvermögen hält (vgl. BFH v. 20.3.1974, BStBl II 1974, 769). Daraus folgt, dass neben den Organgesellschaften auch der Organträger in einem grunderwerbsteuerlichen Organschaftsverhältnis zwingend Unternehmer sein muss. Anders als bei der Umsatzsteuer ist das grunderwerbsteuerliche Organschaftsverhältnis nicht auf das Inland beschränkt (BFH v. 21.9.2005, BFH/NV 2006, 609, und BFH v. 18.11.2005, BFH/NV 2006, 612); es genügt, dass es sich bei den Grundstücken, deren Erwerb nach § 1 Abs. 3 GrEStG fingiert wird, um inländische Grundstücke handelt.
Bei Vorliegen einer Organschaft wird der Tatbestand des § 1 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 GrEStG grundsätzlich auch ausgelöst, wenn an der grundstückshaltenden Gesellschaft Fremdanteile, d. h. Anteile durch Gesellschaften oder Personen außerhalb des Organkreises gehalten werden. Allerdings kann nach Auffassung der obersten Finanzbehörden der Länder der Tatbestand des § 1 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 GrEStG aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift dann nicht erfüllt sein, wenn Fremdanteile von mehr als 5 % an der grundbesitzenden Gesellschaft gehalten werden und dadurch nicht mindestens 90 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand der Organschaft (des Organkreises) vereinigt werden. Dies besagt aber nicht, dass auch das herrschende Unternehmen am abhängigen Unternehmen zu mindestens 90 % beteiligt sein muss. Der Fremdanteil am abhängigen Unternehmen kann demzufolge – anders als in Fällen der mittelbaren Beteiligung außerhalb eines Organschaftsverhältnisses – wese...