Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 93a
§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG erfassen das den Anspruch auf Übertragung von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft begründende Rechtsgeschäft sowie den entsprechenden Übergang der Anteile auf einen anderen Rechtsträger (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG). Ebenso wie § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG gegenüber § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, ist auch § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG gegenüber § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG subsidiär. Sowohl die Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG als auch die Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG kann nur eintreten, wenn die bereits vereinigten Anteile bei ihrer Übertragung oder ihrem Übergang in einer Hand vereinigt bleiben. Erwerben daher verschiedene Personen (z. B. Eheleute) die bereits vereinigten Anteile, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG a. F. nicht erfüllt (vgl. BFH v. 2.2.1955, BStBl II 1955, 90). Entsprechendes muss auch für § 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG n. F. gelten, es sei denn, eine der erwerbenden Personen erwirbt allein mindestens 95 % (jetzt 90 %) der Anteile.
Maßgeblich für die Entstehung der Grunderwerbsteuer aus § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG ist nur der schuldrechtliche Vertrag, nicht etwa ein weiterer Vertrag, mit dem die im schuldrechtlichen Vertrag getroffenen Vereinbarungen dinglich umgesetzt werden (vgl. FG Köln v. 15.7.2009, 5 K 683/06, StE 2010, 472).
Streitig ist, ob im nachfolgenden Fall die Voraussetzungen einer mittelbaren Anteilsübertragung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorliegen:
Die SC Vermögensverwaltung GmbH & Co. KG veräußerte im Jahr 2002 einen Gesellschaftsanteil an der SC Immobilien Verwaltungsgesellschaft mbH von nominal 25.200,00 EUR (= Anteil am Stammkapital von 96,92 %) an die Klägerin. Den restlichen Gesellschaftsanteil i. H. v. 3,08 % erwarb Herr QC. Die SC Immobilien Verwaltungsgesellschaft mbH, deren Anteile die Klägerin erwarb, war zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung zu 97,5 % am Stammkapital der IM GmbH beteiligt, die Eigentümerin inländischen Grundbesitzes war.
Das Finanzamt hat die Übertragung der Gesellschaftsanteile nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterworfen, weil die Klin. – zumindest mittelbar – über die SC Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH eine dem Gesetz entsprechende beherrschende Stellung bei der IM GmbH eingenommen habe. Das FG Münster hat in seinem Urteil v. 17.9.2008, 8 K 4659/05 GrE (EFG 2008, 1993; BB 2009, 424) dem widersprochen und entschieden, eine mittelbare Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG setze voraus, dass der Gesellschafter bzw. die Muttergesellschaft über eine vermittelnde (Zwischen-)Beteiligung "durchgerechnet" zu damals mindestens 95 %, jetzt 90 %, am Vermögen der Untergesellschaft beteiligt ist. Der BFH ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Danach unterliegt der Erwerb einer mittelbaren Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG (i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002) der Grunderwerbsteuer, wenn die Beteiligungsquote von damals 95 %, jetzt 90 %, auf jeder Beteiligungsstufe erreicht wird. Eine Ermittlung der für die Tatbestandsverwirklichung maßgeblichen Beteiligungsquote durch Multiplikation der auf den jeweiligen Beteiligungsstufen bestehenden Beteiligungsquoten kommt nicht in Betracht (BFH v. 25.8.2010, II R 65/08, BStBl II 2011, 225; vgl. Rz. 91).
Nach bisheriger Rechtslage konnte bei der Übertragung von Anteilen an einer Gesellschaft mit inländischem Grundbesitz durch die Zwischenschaltung einer Gesellschaft, an der ein Fremder wirtschaftlich nicht oder nur geringfügig beteiligt ist, eine geänderte grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung von inländischen Grundstücken und damit ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang i. S. v. § 1 Abs. 3 GrEStG verhindert werden. Dies erfolgte vor allem durch die Einschaltung sog. Real Estate Transfer Tax-Blocker-Strukturen (RETT-Blocker). Vor allem bei Umstrukturierungen und Akquisitionen wurde diese Möglichkeit genutzt. Begünstigt wurden diese Gestaltungsmodelle insbesondere durch die im Rahmen der Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG in Bezug auf Personengesellschaften bestehenden Besonderheiten, wonach unter Anteil i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Personengesellschaft bzw. die aus der Mitgliedschaft in der Personengesellschaft folgende gesamthänderische Mitberechtigung zu verstehen ist (vgl. BFH v. 26.7.1995, II R 68/92, BStBl II 1995, 736, und BFH v. 8.8.2001, II R 66/98, BFH/NV 2001, 1672; vgl. auch ausführlich Rz. 87), und demzufolge auch ein Gesellschafter, der nicht der Höhe nach am Gesellschaftsvermögen beteiligt ist, einen Anteil an der Gesellschaft hält. Gerade diese Sichtweise wurde dazu genutzt, um durch geeignete Gestaltungen die Steuerbelastung spürbar zu senken oder die Verwirklichung des Steuertatbestands des § 1 Abs. 3 GrEStG gänzlich zu vermeiden. Über die Beteiligung an einer Personengesellschaft bzw. ihre Zwischenschaltung konnte letztlich eine Anteilsvereinigung oder Anteilsübertragung im steuerauslösenden Quantum i. S. v. § 1 Ab...