Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 25
Wird bei einem vertraglich vereinbarten, zeitlich befristeten Rücktrittsrecht die Frist zur Ausübung des Rücktrittsrechts mehrfach zeitlich zwar jeweils rechtzeitig verlängert, die jeweilige Verlängerung aber von einem vollmachtslosen Vertreter vereinbart und erst später genehmigt, und wird das Rücktrittsrecht schließlich vor Ablauf der letzten Fristverlängerung tatsächlich ausgeübt, kommt eine Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG nicht in Betracht. In einem solchen Fall wird die Fristverlängerung nicht jeweils rechtzeitig vereinbart mit der Folge, dass bereits die erste Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts abgelaufen war, als die nächste Fristverlängerung vereinbart wurde. Ist aber die vereinbarte Frist für die Ausübung eines solchen Rücktrittsrechts erst einmal abgelaufen, stellt eine gleichwohl vereinbarte Fristverlängerung die Begründung eines neuen Rücktrittsrechts dar. Diesem Rücktrittsrecht kommt nur dann Bedeutung zu, wenn sowohl seine Neubegründung als auch seine Ausübung innerhalb der Zweijahresfrist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfolgen (BFH v. 18.11.2009, II R 11/08, BStBl II 2010, 498). Zur Vermeidung dieser Rechtsfolge empfiehlt es sich, in entsprechenden Fällen von vornherein ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu vereinbaren oder wenigstens dafür Sorge zu tragen, dass die Verlängerung der Frist zur Ausübung des Rücktrittsrechts durchgängig rechtzeitig erfolgt. Die in BFH v. 18.11.2009, II R 11/08, BStBl II 2010, 498, aufgestellten Grundsätze gelten nicht nur in Fällen, in denen der Grundstückskaufvertrag nach mehrfachen Verlängerungen der Rücktrittsfristen wegen eines "vertraglichen" Rücktrittsrechts rückabgewickelt wurde, sondern z. B. auch dann, wenn ein Erbbaurechtsvertrag wegen eines "gesetzlichen" Rücktrittsrechts aufgrund der geänderten Vertragsbestimmungen aufgehoben worden wird. Danach bleibt § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG nur anwendbar, wenn eine bis zur vollständigen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs reichende lückenlose Kette von jeweils noch innerhalb der Frist vereinbarten Fristverlängerungen vorliegt und der zum Rücktritt Berechtigte jeweils einen Anspruch auf Fristverlängerung hatte. Hat der Rücktrittsberechtigte sein vertraglich vereinbartes Rücktrittsrecht aufgrund Fristablaufs endgültig verloren und ändern die Vertragsparteien anschließend im Einvernehmen die ursprünglichen Vertragsbestimmungen, kann auch das wegen der Nichterfüllung der geänderten Vertragsbestimmungen neu entstandene gesetzliche Rücktrittsrecht nicht mehr zur Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG führen (BFH v. 2.8.2013, II B 111/12, BFH/NV 2014, 383). Für die Praxis bedeutet dies, dass nach Möglichkeit von der Befristung eines von einem nachträglichen Eintritt bestimmter Ereignisse abhängigen Rücktrittsrechts abgesehen werden sollte, weil dem Rücktrittsberechtigten dann ein Aufhebungsanspruch nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zusteht. Scheidet ein unbefristetes Rücktrittsrecht aus, muss die Fristverlängerung lückenlos erfolgen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung (vgl. BFH v. 18.11.2009, II R 11/08, BStBl II 2010, 498) eine Nachgenehmigung zwar zivilrechtlich zurückwirkt, nicht aber im Grunderwerbsteuerrecht (vgl. Spanke, jurisPR-SteuerR 12/2014 Anm. 5).
Nach FG Hamburg v. 22.2.2012, 3 K 165/11, EFG 2102, 1377, ist der in den Fällen des § 16 Abs. 1 GrEStG geltende Grundsatz, wonach die Anwendung der Vorschrift ausgeschlossen ist, wenn dem ursprünglichen Erwerber eine aus dem "rückgängig gemachten" Erwerbsvorgang herzuleitende Rechtsposition verblieben ist und er diese im Zusammenhang mit einer erneuten Veräußerung tatsächlich im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet, auch im Rahmen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG anwendbar. Dies gelte auch dann, wenn dem ursprünglichen Veräußerer aufgrund eines Zahlungsverzugs des Ersterwerbers ein gesetzliches Rücktrittsrecht zusteht, das er gegen den Willen des Ersterwerbers ausüben könnte. Ein schädliches eigenes (wirtschaftliches) Interesse liegt auch vor, wenn der Ersterwerber mit dem Zweitkäufer einen Mietvertrag abschließt und sich von ihm Renovierungsaufwendungen ersetzen lassen will.
Zum Formerfordernis in den Fällen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG siehe FinMin Baden-Württemberg v. 7.8.2002, 3 – S 4543/9.