Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
5.1 Zweifelhafter Umfang der Gegenleistung
Rz. 36
Die Vorschrift des § 16 Abs. 3 GrEStG betrifft nur die nachträgliche Herabsetzung einer Gegenleistung, nicht aber die Fälle, in denen Art und Umfang der Gegenleistung bereits bei Abschluss des Vertrags zweifelhaft oder ungewiss sind. Da auch bei einer nachträglichen Minderung der Gegenleistung die ursprünglich entstandene Grunderwerbsteuer – wie bei der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs – unberührt bleibt, sieht § 16 Abs. 3 GrEStG für solche Sachverhalte eine entsprechend niedrigere Steuerfestsetzung oder entsprechend geänderte Steuerfestsetzung vor. Ähnlich dem Verhältnis von § 16 Abs. 1 GrEStG zu § 16 Abs. 2 GrEStG findet § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG dann Anwendung, wenn die Herabsetzung der Gegenleistung im gegenseitigen Einvernehmen erfolgt, während § 16 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG für die Herabsetzung der Gegenleistung aufgrund eines Rechtsanspruchs gilt.
Die Vergünstigung des § 16 Abs. 3 GrEStG geht nur soweit, als die Herabsetzung der Gegenleistung die grunderwerbsteuerrechtlich relevante Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1, § 9 GrEStG) eines Erwerbsvorgangs betrifft. Erstreckt sich die nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung auch auf Erwerbsgegenstände, die nicht den Begriff des Grundstücks (§ 2 GrEStG) erfüllen (z. B. Maschinen, Inventar), kann daher nur der auf das Grundstück entfallende Teil des herabgesetzten Betrags berücksichtigt werden (vgl. BFH v. 12.6.1968, BStBl II 1968, 749). Bei Erwerben im Zwangsversteigerungsverfahren muss das Meistgebot (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) herabgesetzt worden sein, um § 16 Abs. 3 anwenden zu können (vgl. BFH v. 3.5.1973, BStBl II 1973, 709). Die Herabsetzung der Gegenleistung stellt kein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar (vgl. BFH v. 22.7.2020, II R 15/18). Dies hat auch zur Folge, dass keine neue Verjährungsfrist beginnt (BFH v. 4.11.2019, II B 48/19).
5.2 Zwei-Jahresfrist
Rz. 37
Die unter § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG fallende einvernehmliche Herabsetzung der Gegenleistung muss – wie die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG – innerhalb von 2 Jahren seit der Entstehung der Steuer (§ 38 AO, § 14 GrEStG) stattfinden. Die im Einzelfall für die Minderung der Gegenleistung ausschlaggebenden Gründe sind für die Anwendung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unbeachtlich. Auch die nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung aufgrund eines Insolvenzverfahrens ist nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG begünstigt. Ebenfalls eine im Rahmen des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu berücksichtigende Herabsetzung der Gegenleistung liegt in der nachträglichen Vereinbarung von Eigenleistungen des Erwerbers (vgl. BFH v. 1.12.1982, BStBl II 1983, 336), die auch in der Form der Gruppenselbsthilfe erbracht werden können.
5.3 Erwerber erhält und behält Provision
Rz. 38
Eine Herabsetzung der Gegenleistung i. S. v. § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG liegt auch vor, wenn kurz vor Abschluss des Kaufvertrags über den Grundstückserwerb vereinbart wird, dass der Erwerber mit dem Abschluss des Kaufvertrags einen Anspruch an den Veräußerer auf Zahlung einer Provision erwerbe, "diese Provision aufgrund der fehlenden Gegenleistung des Käufers an den Verkäufer wirtschaftlich eine Kaufpreisminderung in Form einer sog. Eigenprovision darstelle (vgl. BFH v. 16.3.2004, Az. IX R 46/03)" und die Zahlung zur Kaufpreisminderung tatsächlich innerhalb von 2 Jahren nach Abschluss des Kaufvertrags erfolgt (vgl. Sächsisches FG v. 16.3.2011, 8 K 1123/10, n. v.).
5.4 Erstattung von Anschaffungskosten
Rz. 39
Fraglich ist, ob eine nachträgliche Herabsetzung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage i. S. v. § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorliegt, wenn der Verkäufer eines Grundstücks dem Erwerber die gesamten oder einen Teil der im Zusammenhang mit dem Erwerb entstandenen Anschaffungsnebenkosten erstattet. Das Sächsische FG v. 25.5.2011, 4 K 205/07, StBW 2012, 297, hat diese Frage unter Hinweis auf FG Münster vom 24.1.2008, 8 K 4674/04, EFG 2008, 134, verneint. Derartige Leistungen seien allenfalls dann zu berücksichtigen, wenn die Vertragsbeteiligten ausdrücklich in dem Kaufvertrag festgelegt haben, dass etwaige Geldleistungen des Veräußerers an den Erwerber den vereinbarten Kaufpreis entsprechend mindern sollen. Im anschließenden Revisionsverfahren hat der BFH die Vorentscheidung zwar aufgehoben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurücküberwiesen. Er hat aber ausdrücklich festgestellt, dass die Anwendung des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG eine nachträgliche Herabsetzung der Gegenleistung voraussetzt, also nach der Entstehung der Steuer vereinbart wird. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt. Der Anspruch des Erwerbers auf Kostenerstattung sei nicht nachträglich, sondern bereits im Kaufvertrag vereinbart worden und habe dem Erwerber dem Grunde nach bereits vom Wirksamwerden des Kaufvertrags an zugestanden (BFH v. 17.4.2013, II R 1/12, BStBl II 2013, 637).
Die Vorschrift des § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG gilt für alle Erwerbsvorgänge i. S. d. § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a und 3 GrEStG. Im Hinblick auf § 313 S. 1 BGB ist für die nachträgliche Herab...