Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
1 Begründung (Auszug) vom 22.11.1982 – BT-Drs. 9/2114
Rz. 1
Entsprechend dem geltenden Recht sieht die Regelung vor, dass die Grunderwerbsteuer unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag nicht zu erheben, zu erstatten oder zu ermäßigen ist, wenn ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird (Abs. 1), wenn das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurückerworben wird (Abs. 2) oder wenn die Gegenleistung herabgesetzt wird (Abs. 3). Ohne diese Regelung würde es z. B. bei einem rückgängig gemachten Grundstückskaufvertrag nicht nur bei der Besteuerung dieses Rechtsgeschäfts verbleiben, sondern es wäre auch noch der Vertrag über die Rückgängigmachung zu besteuern. Dieses unbillige Ergebnis soll auch künftig ausgeschlossen werden. Der Ausschuss ist aber der Auffassung, dass die vom allgemeinen Verfahrensrecht abweichenden Vorschriften über die Erstattung oder Ermäßigung der Steuer nicht mehr zeitgemäß sind. Die Regelung wird deshalb zur Erleichterung des Verfahrens, auch im Hinblick auf die Automation, so umgestaltet, dass die Erstattung oder Ermäßigung der Steuer sich als Folge einer Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung ergibt. Mit der Neufassung, die den Vorschriften der Abgabenordnung angepasst ist, sind redaktionelle Verbesserungen verbunden worden.
2 Allgemeines
Rz. 2
einstweilen frei.
2.1 Wegfall der Steuerpflicht für zwei Rechtsgeschäfte
Rz. 3
Der Gesetzgeber geht bei der Konzeption der Steuertatbestände des § 1 GrEStG davon aus, dass durch die davon erfassten Rechtsvorgänge ein entsprechender Grundstücksumsatz tatsächlich auch erfolgt und damit das von den Beteiligten gewünschte Ergebnis verwirklicht werden wird. Spätere Ereignisse lassen die einmal entstandene Grunderwerbsteuer unberührt (vgl. BFH v. 13.5.1992, II B 118/91, BFH/NV 1993, 326: Der Steueranspruch entsteht mit dem schuldrechtlichen Rechtsgeschäft. "Nach Wortlaut und Struktur des GrEStG ist es für den einmal entstandenen Steueranspruch grundsätzlich ohne Belang, ob das steuertatbestandserfüllende schuldrechtliche Geschäft dann tatsächlich aufrechterhalten und/oder erfüllt wird. Dies wird durch die Vorschrift des § 16 GrEStG 1983 geradezu bestätigt. [...] Diese Regelung des § 16 bestätigt damit die sich aus der Struktur des § 1 Abs. 1 GrEStG bereits abzuleitende Erkenntnis, daß eine Nichterfüllung oder ein sonstiges Scheitern des schuldrechtlichen Geschäfts die einmal entstandene Steuerpflicht grundsätzlich nicht berührt."), es sei denn, der Tatbestand fällt ausnahmsweise wegen Eintritts einer auflösenden Bedingung oder einer wirksamen Anfechtung nachträglich weg. Der spätere Rückerwerb des Grundstücks vom neuen Eigentümer durch den Veräußerer stellt nach der Gesetzessystematik des § 1 GrEStG im Grundsatz einen erneuten Erwerbsvorgang dar, der ein weiteres Mal Grunderwerbsteuer auslöst. Da es zu nicht vertretbaren Härten führen würde, wenn ein Grundstückserwerb zwischen den Beteiligten wieder rückgängig gemacht würde, ohne dass aus dieser Rückgängigmachung grunderwerbsteuerliche Folgerungen in Gestalt einer Nichterhebung oder Erstattung der Steuer gezogen würden, entfällt die Steuerpflicht für zwei Rechtsgeschäfte unter bestimmten Voraussetzungen. Für das ursprüngliche Rechtsgeschäft entfällt sie nachträglich, für den Rückerwerb entfällt sie von vorneherein.
Rz.
4 und 5 einstweilen frei
2.2 Rechtsnatur, Auswirkung auf entstandene Säumniszuschläge
Rz. 6
Bei § 16 GrEStG handelt es sich nicht um eine Befreiungsvorschrift. Der einmal entstandene Steueranspruch erlischt nicht, er bleibt unberührt und lediglich die an sich geschuldete Steuerschuld aufgrund dieser Norm wird nicht oder nicht in voller Höhe erhoben (vgl. BFH v. 11.5.1966, II 73/62, BStBl III 1966, 491, BFH v. 9.8.1989, II R 145/86, BStBl II 1989, 981, und BFH v. 26.8.1992, II R 120/89, BStBl II 1993, 58). Da die Steuerschuld bei Erfüllung der Tatbestände des § 16 Abs. 1 bis 3 GrEStG nicht mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc), sondern mit Wirkung für die Zukunft entfällt, bleiben auch einmal entstandene Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 S. 4 AO bestehen; ihre Erhebung ist nicht sachlich unbillig (vgl. BFH v. 14.5.2008, II B 49/07, BFH/NV 2008, 1438).
Im Fall des BFH v. 14.5.2008, II B 49/07, BFH/NV 2008, 1438, entrichtete der Erwerber eines Grundstücks die anfallende Grunderwerbsteuer erst zwei Jahre nach Fälligkeit. Das Finanzamt setzte daher Säumniszuschläge fest, die auch gezahlt wurden. Nach Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags hob das Finanzamt auf Antrag des Erwerbers die Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf und erstattete diese. Die beantragte Erstattung der Säumniszuschläge lehnte es hingegen ab. Allerdings ist die Anwendung des § 227 AO auf entstandene Säumniszuschläge in den Fällen, in denen die Grunderwerbsteuer später nach § 16 Abs. 1 GrEStG aufgehoben wird, nach neuerer BFH-Rechtsprechung nicht generell ausgeschlossen. In BFH v. 14.5.2008. a. a. O., blieb ausdrücklich offen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Erlass verwirkter Säumniszuschläge aus sachlichen Billigkeitsgründen veranlasst sein kann, wenn ein Erwerbsvorgang noch vor der Entscheidung über einen gegen die ursprüngliche Grunderwerbsteuerfestsetzung eingelegten Ein...