Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
1.1 Historische Entwicklung
1.1.1 Grunderwerbsteuerrechtliche Begünstigung von Restrukturierungsmaßnahmen vor 1983
Rz. 1
Das Umwandlungsteuergesetz von 1977 enthielt in § 27 UmwStG – bis zu seiner Aufhebung durch das Grunderwerbsteuergesetz von 1983 – noch ausdrücklich einen grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungstatbestand für Umwandlungs- und Einbringungsvorgänge. Eine Übernahme des § 27 UmwStG a. F. erfolgte entgegen der Vorstellungen im Schrifttum bei der Reform der Grunderwerbsteuer in den Jahren 1982/83 bewusst nicht.
Die grunderwerbsteuerliche Belastung von Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb eines Konzerns hat dennoch in der Folgezeit verfassungsrechtliche, dogmatische und rechtspolitische Kritik erfahren. Der Gesetzgeber hat mehrfach versucht, dem Rechnung zu tragen. Dessen ungeachtet haben Gestaltungsüberlegungen massiv an Bedeutung gewonnen, welche darauf abzielen, die Grunderwerbsteuerbelastung möglichst zu vermeiden. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass in einzelnen Bundesländern der Grunderwerbsteuersatz mit 6,5 % fast wieder das Niveau von 1982 erreicht hat. Mit jeder Erhöhung des Steuersatzes war in der Vergangenheit eine Zunahme von Gestaltungsüberlegungen zu beobachten.
1.1.2 Umstrukturierungen zwischen 1983 und 2009
Rz. 2
Die Umstrukturierung von Unternehmen begleitet typischerweise die Übertragung von Grundstücken und Anteilen an Grundbesitzgesellschaften und kann sich im Wege einer Einzelrechts- oder einer Gesamtrechtsnachfolge vollziehen.
Eine Vermögensübertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge liegt vor, wenn Grundstücke oder Anteile an einer Grundbesitzgesellschaft z. B. infolge eines Kaufvertrags oder im Wege einer Sachkapitalerhöhung oder Sachgründung übertragen werden.
Eine Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge liegt demgegenüber vor, wenn die Übertragung durch eine übertragende Umwandlung i. S. d. Umwandlungsgesetzes oder ein vergleichbares Instrument ausländischer Rechtsordnungen erfolgt. Umwandlungen in diesem Sinne sind:
Rz. 3
Sämtliche der vorgenannten Vorgänge können auch innerhalb des Konzerns Grunderwerbsteuer auslösen.
- Die Übertragung von Grundstücken im Wege der Einzelrechtsnachfolge ist grunderwerbsteuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG;
- die Übertragung von Anteilen an einer Grundbesitzgesellschaft ist grunderwerbsteuerbar, wenn bei einer Personengesellschaft innerhalb von fünf Jahren 95 % oder mehr der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übertragen werden (§ 1 Abs. 2a GrEStG) oder bei Personen- oder Kapitalgesellschaften, wo der Tatbestand einer sog. Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) erfüllt ist;
- Verschmelzungen, Spaltungen oder Vermögensübertragungen sind grunderwerbsteuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, wenn zum Vermögen des übertragenden Rechtsträgers ein Grundstück gehört. Ist der übertragende Rechtsträger (unmittelbar oder mittelbar) Gesellschafter einer Grundbesitzgesellschaft, kann sich eine Grunderwerbsteuerbarkeit des Umwandlungsvorgangs auch aus § 1 Abs. 2a GrEStG oder § 1 Abs. 3 Nr. 2 bzw. 4 GrEStG ergeben.
Der Formwechsel löst nur in Ausnahmefällen Grunderwerbsteuer aus, weil es sich hierbei nicht um eine übertragende, sondern um eine identitätswahrende Umwandlung handelt, die nach Auffassung der Rechtsprechung nicht zu einem Rechtsträgerwechsel führen kann.
Soweit ein an der Umwandlung beteiligter Rechtsträger seinerseits eine qualifizierte Beteiligung an einem anderen Grundstücksunternehmen hält, können in Abhängigkeit insbesondere der Rechtsform der Beteiligung infolge der Umwandlung auch die Tatbestände des § 1 Abs. 3 oder 2a GrEStG ausgelöst werden. Konzerninterne Übertragungen von Beteiligungen lösen danach immer dann Grunderwerbsteuer aus, wenn mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft auf eine Gesellschaft übertragen werden, der der Grundbesitz nicht bereits über eine mittelbare Beteiligung zuzurechnen war. Schädlich sind daher vor allem Übertragungen auf Schwester- und Tochtergesellschaften, aber auch die Übertragung im grunderwerbsteuerlichen Organkreis durch herrschende und abhängige Unternehmen. Lediglich die Verkürzung einer Beteiligungskette, also die Übertragung von Anteilen durch die Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft, ist nach der Rechtsprechung und aus Sicht der Verwaltung nicht mit Grunderwerbsteuer belastet.
Rz. 4
Die Finanzverwaltung behandelt den grunderwerbsteuerlichen Organkreis für Zwecke der Anteilsvereinigung als "eine Hand". Dementsprechend führen Anteilsübertragungen an grundstückshaltenden Kapitalgesellschaften (durch Zukäufe oder im Rahmen einer Verschmelzung) zu keiner GrESt, sofern sich an der Zuordnung der Anteile zum (ggf. erweiterten) Organkreis nichts ändert. Die erstmalige Zurechnung von mind. 95 % der Anteile an einer grundstückshaltenden Kapitalgesellschaft an eine Gesellschaft des Organkreises unterliegt dagegen de...