Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 29
Innerhalb der Legaldefinition des abhängigen Unternehmens statuiert § 6 a S. 4 GrEStG vor- und nachgelagerte Konzernzugehörigkeitsfristen. Danach ist eine Gesellschaft von einem herrschenden Unternehmen nur abhängig, wenn das herrschende Unternehmen am Kapital der abhängigen Gesellschaft fünf Jahre vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang beteiligt ist. Dies gilt mit der Ergänzung des § 6 a S. 4 GrEStG für Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen. Der Anwendung von § 6a S. 4 GrEStG steht nicht entgegen, dass ein die Nachbehaltensfrist verletzendes Ereignis selbst einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang darstellt (FG Rheinland-Pfalz v. 7.9.2023, 4 K 1727/22, Revision: II R 30/23).
Durch diese Sperrfristen soll sichergestellt werden, dass die Begünstigung nicht zu einem ungewollten Mitnahmeeffekt führt, mithin Gestaltungen eröffnet, die nicht in der Zielrichtung der Ausnahme von der allgemeinen Belastung mit der Grunderwerbsteuer liegen. Die Vorschrift orientiert sich insoweit an dem Grunderwerbsteuergesetz immanenten System, wie es in den Steuervergünstigungen der §§ 5 und 6 GrEStG und hier insbesondere im § 5 Abs. 3 GrEStG, welcher zu diesem Zweck ebenfalls eingeführt wurde, seinen Ausdruck findet.
Wird die Sperrfrist missachtet, entfällt die Begünstigung im Nachhinein. Der Verstoß gegen die Sperrfrist ist als rückwirkendes Ereignis zu qualifizieren und eröffnet damit die Änderungsmöglichkeit des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die darauf beruhende Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids mit – i. d. R. – nachteiligen Folgen für den Adressaten hängt nicht davon ab, ob diesem das Grundstück zu diesem Zeitpunkt noch gehört.
Der Zweck, der hinter den Konzernzugehörigkeitsfristen steht, ist nicht sofort ersichtlich. Ein echtes Steuerumgehungspotenzial wie i. R. d. §§ 5 und 6 GrEStG drängt sich nicht sogleich auf. Die nachgelagerte Sperrfrist ist der Beschränkung der Begünstigung auf den vorhandenen Konzern geschuldet. Unterstellt wird, dass ein steuerbarer Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung allein dem Erwerbsinteresse eines anderen Konzernunternehmens und nicht auch dem Zweck der wirtschaftlich sinnvollsten Nutzung innerhalb eines Konzerns dient, wenn das Grundstück im Verlauf von fünf Jahren nach einem solchen Rechtsvorgang zusammen mit dem Unternehmen, dem es nunmehr grunderwerbsteuerlich zuzuordnen ist, aus dem Konzern ausscheidet. Die vorgelagerte Konzernzugehörigkeitsfrist ließe sich damit erklären, eine Zugehörigkeit zum Konzern erst dann anzunehmen, wenn sich die vorhandene Struktur (durch Ablauf der Sperrfrist) perpetuiert hat.
Rz. 30
Die Steuervergünstigung findet gem. § 6 a S. 4 GrEStG nur Anwendung, wenn das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang zu mindestens 95 % an der abhängigen Gesellschaft ununterbrochen beteiligt ist. Daraus folgt, dass sämtliche an dem Umwandlungsvorgang beteiligte abhängige Gesellschaften die Voraussetzungen des § 6 a S. 4 GrEStG erfüllen müssen, um die Rechtswohltat der Steuervergünstigung zu erfahren.
"Rechtsvorgang" in diesem Sinne ist bei der Verschmelzung und Spaltung die Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers (§§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), weil erst der Übergang des Grundstücks bzw. der Beteiligung zur Steuerbarkeit der Umwandlung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG führt. Bei der Vermögensübertragung ist Umwandlungsvorgang die Eintragung der Vermögensübertragung in das Register des Sitzes der übertragenden Gesellschaft. Die Eintragung in das Register des betreffenden Rechtsträgers markiert zugleich den zeitlichen Bezugspunkt für die Berechnung der Fünf-Jahres-Fristen. Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften der §§ 186ff. BGB entsprechend.
Zudem muss die Beteiligung ununterbrochen bestanden haben, d. h., dass auch nur ein kurzfristiges Absenken der Beteiligung unter das erforderliche Maß für die Inanspruchnahme der Vergünstigung schädlich ist. Wird die Abtretung eines GmbH-Anteils erfolgreich angefochten, ist fraglich, ob die Rückwirkung des § 142 Abs. 1 BGB auch auf § 6 a GrEStG durchschlägt oder wegen des im Steuerrecht geltenden Rückwirkungsverbots lediglich ex nunc wirkt, wofür vieles spricht. Nach einer gesetzlichen Neuregelung findet diese Haltefrist ungeachtet der neuen BFH-Rechtsprechung und ihr folgend der neuen Auffassung der Finanzverwaltung nach dem neu eingefügten Satz 5 in § 6a keine Anwendung, wenn sie alleine durch den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien aus der EU herbeigeführt worden ist.
Rz. 31
Die Konzernzugehörigkeitsfristen führen bei wortgetreuer Anwendung zu merkwürdigen Ergebnissen.
Gleichwohl legte die Finanzverwaltung in der Vergangenheit die Vor- und Nachbehaltensfristen in § 6 a S. 4 GrEStG ausschließlich beteiligungs- und nicht grundstücksbezogen aus (Tz. 1, 4, 5 und 8 des Erlasses vom 1.12.2010). Damit musste das herrschende Unternehmen im Fall übert...