Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 8f
Grundsätzlich gehören zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung alle Leistungen des Erwerbers, die dieser dem Veräußerer nach den vertraglichen Vereinbarungen für den Erwerb des Grundstücks gewährt. Nach der Rechtsprechung des BFH ist für die Frage, was zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage gehört, zunächst darauf abzustellen, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde (vgl. BFH v. 11.3.1981, II R 77/78, BStBl II 1981, 537; BFH v. 24.1.1990, II R 94/87, BStBl II 1990, 590, und BFH v. 27.10.1999, II R 17/99, BStBl II 2000, 34). Ob Erschließungsbeiträge zur Gegenleistung gehören, entscheidet sich demnach zunächst nach dem für die Besteuerung maßgebenden Grundstückszustand, wie er sich aus den Vereinbarungen der Vertragsparteien ergibt. Ansonsten wird der Umfang der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage vom tatsächlichen Erschließungszustand des Grundstücks im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs bestimmt. Erhebt die Gemeinde Erschließungsbeiträge, stellt die Übernahme der Beitragspflicht durch den Käufer sich nicht als Gegenleistung für den Grundstückserwerb dar (offengelassen in BFH v. 21.3.2007, II R 67/05, BFH/NV 2007, 1425); werden die Kosten vertraglich auf den Käufer abgewälzt, gehört der Betrag, der vom Käufer für die Entrichtung zu zahlen ist, zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage (vgl. FG Hessen v. 24.8.2020, 5 K 1373/19, Revision zum BFH: II R 32/20):
- Ist das Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags tatsächlich erschlossen (§ 127 Abs. 2 BauGB), stellt ein für die Erschließung gesondert im Kaufvertrag ausgewiesener Betrag eine Gegenleistung dar.
- Verpflichtet sich der Veräußerer eines nicht erschlossenen Grundstücks im Kaufvertrag, das Eigentum an einem erschlossenen Grundstück zu übertragen, rechnet zur Gegenleistung auch der Teil des Kaufpreises, der auf die Erschließung entfällt.
Rz. 8g
Ein bereits erschlossenes Grundstück, also ein Grundstück, bei dem sämtliche öffentlichen Erschließungsanlagen i. S. d. BauGB oder i. S. d. landesrechtlichen Kommunalabgabengesetze bereits vorhanden sind, kann auch nur als solches ("erschlossenes") Grundstück veräußert werden. Der Veräußerer des Grundstücks und dessen Erwerber können insoweit auch nicht abweichend vereinbaren, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück im unerschlossenen Zustand sein soll, also in einem Zustand, den das Grundstück nicht mehr hat und auch nicht mehr erhalten soll (und kann). Ist also Gegenstand eines Kaufvertrags ein tatsächlich erschlossenes Grundstück, so gehört der dafür vom Erwerber zu entrichtende Kaufpreis grundsätzlich auch insoweit zur Gegenleistung und damit zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage, als darin Beträge für die Erschließung des Grundstücks enthalten sind. Dasselbe gilt, wenn die Beträge für die Erschließung gesondert – neben dem Kaufpreis für das "unerschlossene" Grundstück – ausgewiesen werden. Für die Höhe der Gegenleistung ist es insoweit ohne Bedeutung, ob der Veräußerer die Erschließungsbeiträge in den Kaufpreis einbezieht oder aber gesondert in Rechnung stellt.
A veräußert an B ein erschlossenes, 500 m2 großes Grundstück. Als Kaufpreis werden 120 EUR/m2 zuzüglich Erschließungskosten i. H. v. 80 EUR/m2 vereinbart.
Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist die gesamte Gegenleistung des B i. H. v. 100.000 EUR.
Häufig werden in Baugebieten die Erschließungsanlagen nicht in einem Zuge, sondern nach und nach entsprechend dem Fortgang der Bautätigkeit in dem betreffenden Gebiet fertiggestellt. Dies hat zur Folge, dass ein Teil der Grundstücke bautechnisch bereits vollständig erschlossen ist, während bei anderen Grundstücken die Erschließungsanlagen erst teilweise fertiggestellt sind.
Den Gemeinden wird es kaum möglich sein, den Stand der Erschließung eines einzelnen Grundstücks zu einem bestimmten Stichtag mitzuteilen. Für sie ist der Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage insgesamt und nicht der Stand der Erschließung beim einzelnen Grundstück von Bedeutung, weil dies eine Voraussetzung für die Entstehung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf den Erschließungsbeitrag ist (§ 133 Abs. 2 BauGB). Bei der Frage, ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein "erschlossenes Grundstück" ist, ist daher auf die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen im jeweiligen gesamten Bau- und Erschließungsgebiet abzustellen.
Eine Beitragspflicht kann sich auch aus Teilmaßnahmen der Erschließung ergeben. Nach § 133 Abs. 2 BauGB entsteht die Beitragspflicht für Teilbeträge, sobald die Maßnahmen, deren Aufwand durch die Teilbeträge gedeckt werden soll, abgeschlossen sind (sachliche Beitragspflicht). Ein Grundstück, für das entsprechende Teilbeträge entstanden sind, kann nicht als "erschlossenes Grundstück" i. S. v. Tz. 1 des bundeseinheitlich abgestimmten Erlasses des FinMin Baden-Württemberg v. 25.7.2002, 3 – S 4521/13, angesehen werden. Der Abschluss von Teilmaßnahmen im...