Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 24
Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG gehören zur Gegenleistung auch Leistungen, die der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt. Mit der Einbeziehung dieser Leistungen in die Bemessungsgrundlage soll die Erfassung der vollen Gegenleistung gewährleistet werden (BFH v. 15.11.1998, II R 71/88, BStBl II 1990, 228). Die Vorschrift erfasst nachträgliche, also nach Verwirklichung des Erwerbsvorgangs vereinbarte bzw. zusätzlich gewährte oder zu gewährende Leistungen (BFH v. 24.2.1982, II R 4/81, BStBl II 1982, 625, und BFH v. 13.4.1994, II R 93/90, BStBl II 1994, 817).
Die nachträgliche Leistung muss trotz des Wortlauts des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG nicht unbedingt gegenüber dem Grundstücksveräußerer erbracht werden; sie kann entgegen dem insoweit zu engen Wortlaut der Vorschrift auch einem Dritten gewährt werden (vgl. BFH v. 22.11.1995, II R 26/92, BStBl II 1996, 162).
Als zusätzliche Leistung i. S. v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist jede nicht bereits von § 9 Abs. 1 GrEStG erfasste Leistung anzusehen, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt. In aller Regel wird es sich hierbei um Leistungen handeln, die vom Erwerber aufgrund nachträglicher Vereinbarung zusätzlich zu der beim Erwerbsvorgang bereits vereinbarten Gegenleistung gewährt werden (vgl. BFH v. 26.4.2006, II R 3/05, BStBl II 2006, 604). Zwischen der nachträglichen Gegenleistung und dem Grundstückserwerb muss ein rechtlicher Zusammenhang bestehen; eine kausale Verknüpfung ist insoweit nicht erforderlich (BFH v. 13.4.1994, II R 93/90, BStBl II 1994, 817, und BFH v. 26.4.2006, II R 3/05, BStBl II 2006, 604). Der notwendige rechtliche Zusammenhang ist gegeben, wenn sich bereits aus dem Kaufvertrag ein Anspruch auf die spätere zusätzliche Leistung herleiten lässt (BFH v. 5.2.2003, II R 15/01, BFH/NV 2003, 818).
Kein derartiger rechtlicher Zusammenhang ist in der bloßen Verlängerung eines Grundstücks-Leasingvertrags zu sehen, sodass hierbei regelmäßig keine zusätzliche Gegenleistung i. S. v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entsteht (vgl. BFH v. 5.2.2003, II R 15/01, BFH/NV 2003, 818). Ein entsprechender rechtlicher Zusammenhang liegt jedoch bei der Veräußerung eines Unternehmens mit Grundstücken im Rahmen des Investitionsvorranggesetzes vor, wenn im Kaufvertrag eine nachträgliche Erhöhung des vereinbarten Kaufpreises für den Fall vereinbart ist, dass der Erwerber nicht den gleichfalls vereinbarten Beschäftigungsstand aufrechterhalten kann. Der erforderliche rechtliche Zusammenhang liegt vor, weil der Anspruch des Veräußerers auf die Kaufpreiserhöhung im ursprünglichen Kaufvertrag begründet ist. Die später eintretende Kaufpreiserhöhung stellt daher eine nachträgliche Gegenleistung i. S. v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG dar. Dasselbe gilt in Fällen des Unternehmenskaufs, in denen sich der Erwerber für den Fall des Weiterverkaufs – ggf. innerhalb eines festgelegten Zeitfensters – dazu verpflichtet, den hierbei erzielten Mehrerlös ganz oder zum Teil an den ursprünglichen Veräußerer abzuführen (sog. Mehrerlösvereinbarung (vgl. Klähn, UVR 1994, 15).
Nach FG Düsseldorf v. 29.7.2013, 7 K 563/13 GE (EFG 2013, 1873) soll keine nachträgliche Erhöhung der Gegenleistung i. S. v. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vorliegen, wenn die Beteiligten eines Rechtsgeschäfts i. S. v. § 1 Abs. 1 GrEStG bereits in diesem Rechtsgeschäft für den Fall des künftigen Eintritts einer bestimmten Bedingung eine Erhöhung der Gegenleistung vereinbart haben. Im konkreten Fall hatte die Klägerin sich bereits im Jahr 2004 verpflichtet, eine weitere Gegenleistung zu erbringen, wenn sie eine Auskiesungsgenehmigung erhält. Nach Erteilung dieser Genehmigung im Jahr 2012 zahlte die Klägerin das vereinbarte Kiesentgelt an die Grundstücksveräußerin. Das Finanzamt setzte hierfür nachträglich Grunderwerbsteuer unter Anwendung des zu diesem Zeitpunkt geltenden (erhöhten) Steuersatzes fest. Nach Auffassung des FG ist die erhöhte Gegenleistung hier nicht nachträglich vereinbart worden, sodass kein Fall von § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG gegeben ist und daher der 2004 geltende niedrigere Steuersatz zur Anwendung kommt. Gegen die Entscheidung wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt. Die Finanzverwaltung hat das Urteil des FG Düsseldorf v. 29.7.2013 a. a. O. über den entschiedenen Einzelfall hinaus zunächst nicht angewendet und an ihrer bisherigen Rechtsauffassung festgehalten, die auch durch BFH v. 22.11.1995, II R 26/92, BStBl II 1996, 162 gestützt wird. Danach sind aufschiebend bedingte Gegenleistungen wie nachträglich vereinbarte Gegenleistungen i. S. des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zu beurteilen. Die Tatbestandsmäßigkeit des ursprünglichen Erwerbsvorgangs hinsichtlich des unbedingt vereinbarten Teils der Gegenleistung bleibt dadurch unberührt. Mit Eintritt der Bedingung entsteht daher insoweit eine neue Grunderwerbsteuer, für die der Lauf der Festsetzungsfrist nach allgemeinen Regeln mit ihrem Entstehen beginnt (§§ 169ff. AO 1977; vgl. auch B...