Dietrich Weilbach, Birthe Kramer
Rz. 40
Ausgehend von der unter 2.2 dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat der Bundesfinanzhof in einer Reihe von Urteilen das Gedankengebäude des einheitlichen Vertragswerkes auf das Grunderwerbsteuerrecht übertragen.
Er hat entschieden, dass sich in den Fällen der Erwerb auch auf das Gebäude bezieht, wo der Grundstückskaufvertrag und die im Zusammenhang damit abgeschlossenen Verträge über die Errichtung eines Gebäudes als Einheit zu beurteilen sind (BFH v. 25.7.1979, II R 105/77, BStBl II 1980, 11).
Die Verwaltung hat sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeschlossen und ihre Rechtsauffassung in mehreren Erlassen niedergelegt.
Maßgebenden Anteil an den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen haben die sog. Bauherrenmodelle. Diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass der Grundstückserwerb von einem Bündel anderer vertraglicher Vereinbarungen meist zwischen Veräußerer und Erwerber unmittelbar begleitet wird.
Auch andere Fallgestaltungen können von dieser rechtlichen Beurteilung betroffen sein.
So sind selbst Fälle, in denen Kommunen mit gut gemeinten Projekten bestimmten Zielgruppen preisgünstiges Bauen ermöglichen wollen, oftmals gerade deswegen als einheitliches Vertragswerk zu qualifizieren, weil neben dem Grundstück aus Kostengründen weitere Leistungen preisgünstig aus einer Hand durch die Kommune als Grundstücksveräußerin vermittelt werden wie Architektenleistungen und Baubetreuung bis hin zur schlüsselfertigen Erstellung eines Gebäudes. Dies gilt selbst dann, wenn, wie in solchen Fällen vielfach üblich, der Erwerber umfangreiche Eigenleistungen vornimmt.
Dass durch die Erweiterung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage oftmals eine erhebliche Verteuerung des Projektes eintritt, welche die Vorteile der Leistungen aus einer Hand zum Teil zunichtemacht, muss gerade bei derartigen Fallgestaltungen vorher in die Kalkulation miteinbezogen werden.
Erschwert wird die Beschränkung der Grunderwerbsteuer auf das Grundstück auch dadurch, dass nicht nur vertragliche Beziehungen zwischen Veräußerer und Erwerber auf dem Prüfstand stehen; auch dem Veräußerer nahestehende Personen werden in die Gesamtbetrachtung miteinbezogen.
Rz. 41
Umstritten war ursprünglich, ob diese Rechtsauffassung des BFH die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung sprengen würde. Ungeachtet der Frage, ob man das Rechtsinstitut des einheitlichen Vertragswerks mit einer (erweiternden) Auslegung des Gegenleistungsbegriffs begründet oder bereits den Erwerbstatbestand mit Blick auf die Gegenleistung erweitert, hat es bereits einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung standgehalten.
Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1988 (Urteil v. 11.1.1988, HFR 1989, 153) festgestellt, die Rechtsprechung des BFH sei mit der Verfassung vereinbar. Zwar knüpfe der Erwerbstatbestand an den zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel an; dies schließe jedoch eine hiervon abweichende grunderwerbsteuerliche Behandlung nicht aus. Diese rechtfertige sich damit, dass für die Grunderwerbsteuer der Erfolg maßgebend sei, der aufgrund der zivilrechtlichen Gestaltung letztendlich beim Erwerber eintreten solle. Im Übrigen zeige das Fehlen einer Sonderregelung für die Grunderwerbsteuer bei Bauherrengemeinschaften, dass der Gesetzgeber im Jahre 1983 eine klarstellende Regelung für entbehrlich erachtet habe, obwohl die Problematik damals bekannt gewesen sei (BVerfG v. 20.8.1992, HFR 1993, 91).
Ohne Belang ist es auch, dass bei der Einbeziehung von Bauleistungen in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage auf diese Grunderwerb- und Umsatzsteuer erhoben wird, mithin zweimal Verkehrsteuer, was auf den ersten Blick der umsatzsteuerlichen Befreiungsregelung des § 4 Nr. 9a UStG widersprechen könnte. Entscheidendes Gegenargument ist die fehlende Kongruenz der Rechtsbeziehungen; die Grunderwerbsteuer knüpft an die Leistungsbeziehung Veräußerer/Erwerber, die Umsatzsteuer an die zwischen Bauunternehmer und Erwerber an (Sender/Weilbach/Weilbach, "Praktiker-Handbuch zur EU-Umsatzsteuer", 1. Aufl. Heidelberg 1998, 60/61; auch BFH v. 30.6.2020, II B 90/19).
Die Grundsätze zum einheitlichen Vertragswerk sind damit anerkannt, obgleich sie nicht kodifiziert, sondern durch richterliche Rechtsfortbildung entstanden sind.
Eine ausführliche aktuelle Übersicht über das Rechtsinstitut des einheitlichen Vertragswerks und der hierbei geltenden Grundsätze enthält FinMin Schleswig-Holstein v. 21.3.2011, VI 355 – S 4521 – 113, Haufe HI 2766617.
Unumstritten ist dies allerdings bis heute nicht geblieben (vgl. z. B. Klein in "Das einheitliche Vertragswerk zwischen Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer", DB 2014, 208).
Auch nach dem Beschluss des EuGH v. 27.11.2008, Rs. C-156/08, kann zwar die Grunderwerbsteuer auch auf solche Baukosten erhoben werden, die bereits mit Umsatzsteuer belastet sind. Eine europarechtswidrige steuerliche Mehrfachbelastung konnte das Gericht nicht erkennen. Die Streitfrage schien zunächst geklärt, Steuerfestsetzungen erfolgten in...