aa) Margenteilungsgrundsatz
Hat die Gesellschaft selbst keinen Kredit aufgenommen, bilden nach dem BFH
- die banküblichen Habenzinsen die Untergrenze und
- die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze
der verhinderten Vermögensmehrung. Innerhalb dieser Marge ist der im Einzelfall maßgebliche Betrag durch Schätzung zu ermitteln, wobei dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zukommt. Fehlen andere Anhaltspunkte für die Schätzung, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen.
Diesen sog. Margenteilungsgrundsatz hat der erkennende Senat für Fälle eines unangemessen verzinsten Verrechnungskontos zur Bemessung des angemessenen Zinssatzes als sachgerecht anerkannt. Dagegen erklärt Trossen, dass empirische Belege dafür, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen, nicht erkennbar seien.
Kein Ansatz nur des Sollzinses ...: Der Ansatz der Sollzinsen sei im Regelfall jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn die Kapitalgesellschaft keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb auch nicht den damit verbundenen Aufwand hat.
... und auch nicht des Habenzinses: Auch der bankübliche Habenzins ist nicht der alleinige Maßstab für die Fremdvergleichsprüfung. Das gilt gleichermaßen für Zeiträume, in den ein Niedrigzinsniveau herrscht und Banken sogar "Strafzinsen" (Verwahrentgelte) verlangten.
Beraterhinweis Der in der Praxis häufig vorgebrachte Einwand, dass die Kapitalgesellschaft das (niedrigverzinste) Darlehen an ihren Gesellschafter genutzt habe, um so ihr Geld mit (höherer) Rendite als bei einer Bank anzulegen, vermag daher nicht zu überzeugen, da bereits der Entzug von Liquidität der Gesellschaft die Möglichkeit der Eigenkapitalverzinsung einschränkt (s.o.). Das gilt umso mehr, wenn die Gesellschaft selbst Fremdkapital aufgenommen hat.
Überzeugend verweist die Vorinstanz auf die gegensätzlichen Interessen von Kreditgeber und Kreditnehmer, die beim Abschluss eines Kreditgeschäfts bestrebt sein werden, ihre jeweiligen Interessen in möglichst weitem Umfang durchzusetzen. Andernfalls könnte man die Überlassung eines Pkws an den Gesellschafter gegen Entgelt für dessen private Nutzung weit auch unter Wert damit begründen, dass die verbilligte Überlassung günstiger sei, als das Fahrzeug ungenutzt stehen zu lassen. Vielmehr ist aber auch gar nicht die subjektive Sichtweise der Gesellschaft entscheidend, sondern der Fremdvergleich.
Keine hinreichende/fehlende Besicherung: Im Streitfall kam hinzu, dass das Kapital an den Gesellschafter-GF (ungeachtet dessen zweifelhafter Bonität) ohne hinreichende Besicherung überlassen wurde, während die Geldanlage bei einer inländischen Geschäftsbank typischerweise (etwa aufgrund der staatlichen Bankenaufsicht sowie vielfältiger Auflagen und Sicherungsmechanismen im Einlagengeschäft der Banken) nicht mit finanziellem Risiko verbunden gewesen wäre. Beachten Sie: Bei der Fremdvergleichsprüfung kommt dem Umstand fehlender Besicherung nach der BFH-Rechtsprechung besondere Bedeutung zu. Ein gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter hätte sich das Ausfallrisiko bei fehlenden Sicherheiten durch einen höheren Zinssatz bezahlen lassen.
Anzuwendende Zinssätze: In Ermangelung konkret vergleichbarer Kreditgeschäfte können statistische Angaben der Deutschen Bundesbank zu banküblichen Haben- und banküblichen Sollzinssätzen für revolvierende Kredite und – bei natürlichen Personen als Gesellschafter – Überziehungskredite an Privathaushalte verwendet werden.
Revolvierende Kredite sind Kredite, die vom Kreditnehmer bis zur maximalen Höhe einer Kreditlinie innerhalb der Kreditlaufzeit in wechselnder Höhe wiederholt in Anspruch genommen werden können – auch wenn zwischenzeitlich (Teil-)Tilgungen erfolgt sind (vergleichbar einem Dispo- bzw. Kontokorrentkredit). Beachten Sie: Ein Verrechnungskonto lässt sich in ähnlicher Weise für die Kreditgewährung und -rückzahlung verwenden, weshalb der Zinssatz für solche revolvierenden Kredite als Anhaltspunkt für eine Schätzung geeignet ist.
Dass das beklagte FA zudem auf Überziehungskreditzinssätze für private Haushalte abgestellt hatte, war für den BFH nachvollziehbar, weil die Darlehensgewährung – jedenfalls im Streitfall – den Charakter eines unbesicherten Privatkredits habe. Einer fehlenden Besicherung sei nach der Rechtsprechung bei der Feststellung des fremdüblichen Zinssatzes besondere Bedeutung beizumessen. Das Sicherungsbedürfnis gilt selbstverständlich umso mehr, je höher die Forderung und/oder je schlechter die wirtschaftliche Situation des Schuldners ist. Ein gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter würde das Ausfallrisiko durch die Anforderung einer Sicherheit oder das Verlangen nach einem höheren Zinssatz Rechnung tragen.
Nach Trossen sei ein vereinbarter Zinssatz nur dann nicht fremdüblich, wenn er von sämtlichen fremd...