Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Aufwendungen für die Teilnahme an einem Fortbildungskurs, der mit bestimmten Stundenzahlen auf die Voraussetzungen zur Erlangung der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" angerechnet werden kann, sind zumindest teilweise als Werbungskosten zu berücksichtigen, auch wenn der Lehrgang in nicht unerheblichem Umfang Gelegenheit zur Ausübung verbreiteter Sportarten zulässt (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 9 Abs. 1, § 12 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
K nahm 1999 als angestellter Unfallarzt an einem Sportmedizin-Wochenkurs am Gardasee teil, um die Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" zu erlangen; er war dazu von seinem Arbeitgeber freigestellt. Die Fortbildung wurde von der Ärztekammer für den Erwerb dieser Zusatzbezeichnung anerkannt. Die Zusatzbezeichnung "Sportmedizin" ist u.a. an eine einjährige ganztägige Weiterbildung in einem sportmedizinischen Institut oder Teilnahme an von der Ärztekammer anerkannten Einführungskursen in Theorie und Praxis geknüpft. Der Kurs begann samstagnachmittags mit Referaten bis 20:00 Uhr. An den folgenden Tagen waren jeweils von 8:00 bis 08:45 Uhr Einführung in die Krankengymnastik zur Prävention von Sportverletzungen vorgesehen. Von 9:15 bis 15:45 Uhr gab es mit 1,5 h Mittagspause – Theorie und Praxis der verschiedenen Sportarten wie Surfen, Biken, Segeln, Tennis und Bergsteigen. Ab 16:15 Uhr folgten Referate. An drei Tagen begann das letzte Referat um 19:30 Uhr, ansonsten endete die Veranstaltung um diese Zeit. Der Kurs endete am Samstag gegen 14:00 Uhr. Für die Kursteilnahme wurden K jeweils 25 Stunden Ausbildung in "Theorie und Praxis der Leibesübungen" sowie Weiterbildung in der Sportmedizin bescheinigt.
Das FA ließ die Aufwendungen für die Teilnahme an dem Kurs (3 212 DM) nicht zum Werbungskostenabzug zu. Das FG (FG Sachsen-Anhalt vom 01.09.2004, 2 K 124/02, Haufe-Index 1258179, EFG 2005, 352) gab der Klage zur Hälfte, also i.H.v. 1 606 DM, statt.
Entscheidung
Der BFH bestätigte aus den unter Praxishinweisen genannten Gründen die Vorentscheidung.
Hinweis
Das Aktenzeichen aus dem Jahr 2004 verrät es: Auch dieser Fall ruhte beim LSt-Senat bis zur Entscheidung des Großen Senats (BFH, Beschluss vom 21.09.2009, GrS 1/06, BFH/NV 2010, 285, BFH/PR 2010, 85). Der Besprechungsfall ist gemeinsam mit dem am selben Tag ergangenen Urteil (VI R 5/07, BFH/NV 2010, 1349, BFH/PR 2010, 285) einer der ersten, der die Rechtsprechung des Großen Senats in die Praxis umsetzt.
1. Dem hier vorliegenden Besprechungsfall stellte der LSt-Senat im Wesentlichen dieselben Rechtsgrundsätze voran, wie auch im vorgenannten Besprechungsfall.
2. Hier war das FG allerdings der früheren Rechtsprechung des BFH nur eingeschränkt gefolgt. Es hatte letztlich schon die Grundsätze angewandt, wie sie der LSt-Senat im Vorlagebeschluss und später auch der Große Senat zugrunde legte. Folgerichtig war nun auch die Vorentscheidung nicht zu beanstanden. Das FG hatte zutreffend eine gemischt veranlasste Reise angenommen und hatte die sportmedizinischen Veranstaltungen eindeutig der beruflichen Sphäre und die sportpraktischen Veranstaltungen dem Bereich der privaten Lebensführung zugeordnet, da es sich um verbreitete Sportarten in einem Urlaubsgebiet gehandelt habe. Der BFH ließ offen, ob diese Würdigung zwingend sei, jedenfalls war diese Tatsachenwürdigung des FG revisionsrechtlich nicht angreifbar. Im Ergebnis hatte er damit keine Bedenken, die Aufwendungen – wie das FG – jeweils zur Hälfte als Werbungskosten und zur Hälfte als Kosten der privaten Lebensführung zu qualifizieren, weil das FG jeweils 25 Stunden dem sportmedizinischen (beruflichen) und dem sportpraktischen (privaten) Bereich zuordnete.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.04.2010 – VI R 66/04