Leitsatz
1. Führen Zuwendungen des Arbeitgebers, durch die sich der Arbeitnehmer eigene Aufwendungen erspart, beim Arbeitnehmer zu steuerpflichtigen Einnahmen, können in Höhe der Zuwendungen abziehbare Werbungskosten vorliegen, wenn die Zahlungen durch den Arbeitnehmer zu abziehbaren Werbungskosten geführt hätten (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Zuwendungen der Bundeswehr durch die kostenlose Zurverfügungstellung einer Gemeinschaftsunterkunft sind bei einem Zeitsoldaten neben den Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte als Werbungskosten abziehbar, wenn er die Gemeinschaftsunterkunft ausschließlich für dienstliche Zwecke und nicht zum Wohnen am Beschäftigungsort nutzt.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Nr. 5, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der ledige Kläger war im Streitjahr (2009) Zeitsoldat bei der Bundeswehr, die ihm am Standort eine Gemeinschaftsunterkunft in der Kaserne zur Verfügung stellte. Er war allerdings nicht zur Übernachtung in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet (sog. "Ausgang bis zum Wecken"). Der Kläger nutzte die Unterkunft in der Kaserne dementsprechend nicht für Übernachtungen, sondern fuhr nach Dienstende von der Kaserne zu seiner Wohnung zurück.
Für die Gestellung der Unterkunft setzte die Bundeswehr einen geldwerten Vorteil nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung in Höhe von monatlich 51 EUR (612 EUR für das Streitjahr) an.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 1.796,70 EUR (113 Fahrten à 53 km × 0,30 EUR/km) geltend. Daneben beantragte er die Anerkennung von Unterkunftskosten am Beschäftigungsort in Höhe des von der Bundeswehr in Ansatz gebrachten Sachbezugs von 612 EUR.
Das FA erkannte die Fahrtkosten an, versagte aber den Abzug der Unterkunftskosten als Werbungskosten auch im Einspruchsverfahren. Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab (FG des Saarlandes, Urteil vom 31.1.2018, 2 K 1198/15, Haufe-Index 11743770, EFG 2018, 1130).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Hinweis
1. Der Senat kann offenlassen, ob die kostenlose Zurverfügungstellung der Gemeinschaftsunterkunft in der Kaserne unter den im Streitfall gegebenen Umständen als Arbeitslohn i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG anzusehen ist. Dem Kläger steht entgegen der Auffassung des FG jedenfalls ein Werbungskostenabzug in Höhe des als geldwerter Vorteil für die Gemeinschaftsunterkunft angesetzten Betrags zu. Denn er hätte die Aufwendungen für die Gemeinschaftsunterkunft, wenn er sie selbst getragen hätte, gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abziehen können.
2. Im vorliegenden Fall steht nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz fest, dass der Kläger im Streitjahr in der Kaserne nicht übernachtet und die Unterkunft in der Kaserne auch nicht sonst für private Zwecke, z.B. für den (privaten) Aufenthalt während dienstfreier Zeiten, genutzt hatte. Sie diente dem Kläger nur für dienstliche Zwecke, insbesondere für die Aufbewahrung seiner Dienstkleidung und seiner Ausrüstung sowie für das Wechseln der Uniform.
3. Der Kläger hätte die Aufwendungen für die Unterkunft in der Kaserne, wenn er sie selbst getragen hätte, als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehen können. Die Aufwendungen wären beruflich veranlasst gewesen. Denn die Aufbewahrung der Uniform und der Ausrüstung des Klägers in der Kaserne standen ebenso wie das Anlegen bzw. der Wechsel der Uniform in objektivem Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Klägers als Soldat und dienten ihr auch subjektiv.
4. Dem Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStGständen im vorliegenden Fall die Vorschriften der doppelten Haushaltsführung nicht entgegen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf das damit in Zusammenhang stehende Wahlrecht des Steuerpflichtigen, entweder die Aufwendungen für die (täglichen) Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte oder die Kosten für die Zweitwohnung nebst einer wöchentlichen Familienheimfahrt als Werbungskosten geltend zu machen (s. dazu BFH, Urteil vom 7.10.1994, VI R 54/91, BFH/NV 1995, 386).
a) Zwar sind Unterkunftskosten nach der ständigen Rechtsprechung des BFH im Regelungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar, selbst wenn die Voraussetzungen für eine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung nicht erfüllt sind. Dies beruht darauf, dass Kosten für eine (Zweit-)Wohnung als Kosten der Lebensführung grundsätzlich nicht beruflich veranlasst sind. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ist insoweit lex specialis zu § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG (z.B. BFH, Urteil vom 23.10.2019, VI R 1/18, BFH/NV 2020, 354, m.w.N.).
b) Vorliegend ist der Regelungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStGallerdings nicht berührt. Denn der Kläger wohnte nicht in der Gemeinschaftsunterkunft in der Kaserne. Für die Anwendung der § 9 Abs. 1 Satz 1...