Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Aufwendungen für Familienheimfahrten des Arbeitnehmers mit einem vom Arbeitgeber überlassenen Dienstwagen berechtigen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 6 EStG nicht zum Werbungskostenabzug.
2. Trägt der Arbeitgeber durch Überlassung eines Dienstwagens im Ergebnis die Aufwendungen des Arbeitnehmers für dessen Familienheimfahrten, ist ein Werbungskostenabzug nicht geboten.
Normenkette
§ 8 Abs. 2 Satz 5 2. Halbsatz, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 4, 6 EStG
Sachverhalt
K machte Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend, darunter auch die für wöchentliche Familienheimfahrten mit seinem vom Arbeitgeber überlassenen Dienstwagen (5.225 EUR, 45 Fahrten × 387 km × 0,30 EUR). Das FA berücksichtigte diese wöchentlichen Familienheimfahrten nicht als Werbungskosten. Die dagegen gerichtete Klage blieb ebenfalls erfolglos (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 29.9.2010, 5 K 117/10, Haufe-Index 2731583, EFG 2011, 1872).
Entscheidung
Der BFH bestätigte, wie unter den Praxis-Hinweisen erläutert, die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Revision zurück.
Hinweis
1. Familienheimfahrten (dazu auch BFH-Urteil vom 18.4.2013, VI R 29/12, BFH/PR 2013, 310) berechtigen unabhängig von den dafür tatsächlich entstandenen Kosten zum Werbungskostenabzug nach den Grundsätzen der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG). Deshalb kann die Pauschale subventionierend wirken; denn nutzen Steuerpflichtige etwa bei längeren Strecken öffentliche Verkehrsmittel, können die ihnen tatsächlich entstandenen Aufwendungen deutlich geringer sein als die abziehbaren Werbungskosten. Der Gesetzgeber akzeptiert das. Von dem Grundsatz, dass es auf die tatsächlich entstandenen Aufwendungen nicht ankommt, macht er dann allerdings in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 6 EStG offenkundig doch eine Ausnahme. Denn danach werden eben Familienheimfahrten mit einem dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart überlassenen Fahrzeug nicht berücksichtigt.
2. Das Besprechungsurteil beleuchtet insbesondere die systematischen Wechselwirkungen zwischen den Einnahmen und Werbungskosten. So stehen § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 6 EStG und § 8 Abs. 2 Satz 5 2. Halbsatz EStG in einem korrespondierenden Verhältnis zueinander, indem § 8 Abs. 2 Satz 5 2. Halbsatz EStG auf der Einnahmenseite keinen Vorteil in Höhe von 0,002 % des Listenpreises für solche Familienheimfahrten ansetzt, für die ein Abzug von Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG in Betracht kommt. Der Gesetzgeber setzt damit die typisierende Abzugswirkung der Entfernungspauschale für den Sonderfall der Dienstwagenüberlassung außer Kraft; hier kehrt er zum Grundsatz zurück, dass Werbungskosten nur abziehbar sind, soweit dem Steuerpflichtigen Aufwand entsteht.
3. Den – hier für K nachteiligen – Aspekt der systematischen Korrespondenz zwischen § 8 Abs. 2 EStG und § 9 EStG hatte der BFH auch schon in den Fällen der 0,03 %-Zuschlagsregelung (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG) – dort zugunsten der Steuerpflichtigen – zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht (BFH, Urteil vom 22.9.2010, VI R 57/09, BFH/NV 2011, 349, BFH/PR 2011, 79). Denn dort hatte er den Ansatz von Einnahmen i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG begrenzt, indem er dieser Regelung nur die Funktion eines Korrekturpostens gegenüber einem überschießenden Werbungskostenabzug beigemessen hatte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.2.2013 – VI R 33/11