Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Auch wenn ein Darlehen aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen gewährt worden war, kann der spätere Verzicht darauf durch das zugleich bestehende Arbeitsverhältnis veranlasst sein und dann insoweit zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit führen, als die Darlehensforderung noch werthaltig ist.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
K war als Geschäftsführer an seiner Arbeitgeberin, der X-GmbH, mit 5 % beteiligt. Sie ließ sich von ihren Gesellschaftern, auch K, im November 2000 für einen Börsengang Darlehen gewähren. Nachdem der Börsengang gescheitert war und die X-GmbH Kapital benötigte, forderten die Großgesellschafter unter Hinweis auf sonst drohende Insolvenz und Arbeitsplatzverluste, dass die Kleingesellschafter ihre Restbeteiligungen übertragen und auf ihre Darlehen verzichten. Darauf verzichtete K im März 2001 auf sein Darlehen (160 000 DM).
K machte den Darlehensverlust als Werbungskosten geltend, er habe zur Rettung seines Arbeitsplatzes verzichtet. Weder FA noch FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 25.01.2008, 1 K 3685/06 E, Haufe-Index 2103383, EFG 2009, 172) berücksichtigten den Verlust. Das Darlehen sei, so das FG, nicht durch das Arbeits-, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, der spätere Verzicht sei unerheblich.
Entscheidung
Der BFH hob aus den unter Praxis-Hinweisen dargestellten Erwägungen die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Hinweis
Der Besprechungsfall betrifft zum einen die Frage, nach welchen Grundsätzen Aufwendungen der einen oder anderen Einkunftsart zuzurechnen sind, zum andern, wie dem Arbeitgeber erbrachte finanzielle Hilfen des Arbeitnehmers bei dessen Lohneinkünften steuerlich zu berücksichtigen sind.
1. Werbungskosten sind Aufwendungen, die den Beruf des Arbeitnehmers im weitesten Sinn fördern; dazu können auch Vermögensverluste zählen. Aber: sind hier die Aufwendungen bei den Lohn- oder bei den Kapitaleinkünften entstanden? § 9 Abs. 1 S. 2 EStG ist unergiebig: bei der Einkunftsart, bei der die Aufwendungen erwachsen. Nach dem BFH entscheidet das die Tatsacheninstanz nach dem engeren und wirtschaftlich vorrangigen Veranlassungszusammenhang als eine ihr obliegende tatsächliche, revisionsrechtlich bindende Würdigung.
Während Kapitalverluste wie auch Kapitalgewinne -- jedenfalls vor Inkrafttreten der Abgeltungssteuer – im Rahmen der Einkunftsart des § 20 EStG grundsätzlich nicht abziehbar sind, kann ein Darlehensverlust bei Arbeitnehmereinkünften (§ 19 EStG) zu berücksichtigen sein, wenn das Risiko aus beruflichen Gründen bewusst auf sich genommen wurde. Solche beruflichen Gründen nimmt der BFH an, wenn z.B. eine Bank kein Darlehen mehr gewährt hätte; dann dient das Kapital offensichtlich nicht der Erzielung von Zinsen. Hier kamen aber noch andere ebenfalls nicht im Arbeitsverhältnis angelegte Gründe in Betracht, nämlich dass das Darlehen angesichts der Beteiligung des K gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Zur diesbezüglichen Abgrenzung sind die Beteiligungshöhe, das Verhältnis der Lohn- zu den Beteiligungseinkünften sowie mögliche Konsequenzen für den Arbeitnehmer, wenn er seinem Arbeitgeber entsprechende Finanzierungsmaßnahmen verweigert, zu berücksichtigen.
2. K hatte im Streitfall zweimal versucht, seiner Arbeitgeberin, der GmbH, zu helfen. Zunächst mit dem Darlehen, dann mit dem Verzicht darauf. Aus revisionsrechtlicher Sicht hatte der BFH keine durchgreifenden Bedenken gegen die Würdigung des FG, die Darlehensgewährung sei nicht zur Arbeitsplatzsicherung, sondern aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen erfolgt, auch wenn insoweit der BFH Skepsis erkennen lässt.
3. Das FG muss jetzt aber noch den später erfolgten Verzicht im Hinblick auf die von K damit verfolgten Zwecke prüfen. Denn der Verzicht ist eine eigenständige Finanzierungsmaßnahme und naturgemäß das Gegenteil eines Darlehens. Der BFH lässt erkennen, dass einiges dafür spricht, dass der Verzicht der Arbeitsplatzsicherung diente, zumal K gleichzeitig seine Beteiligung aufgegeben hatte, aber immerhin als Geschäftsführer Lohneinkünfte von jährlich 250 000 DM zu sichern hatte. Weniger erfreulich dürfte für K sein, dass selbst dann, wenn das FG zu einer dementsprechenden Würdigung gelangt, nur der Wert des Darlehens im Zeitpunkt des Verzichts noch zu Werbungskosten führt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.11.2010 – VI R 34/08