Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz1 EStG findet auch dann Anwendung, wenn Ausgaben, die nach dem 31.12.2008 getätigt wurden, mit Kapitalerträgen zusammenhängen, die bereits vor dem 1. Januar 2009 zugeflossen sind; aus § 52a Abs. 10 Satz10 EStG kann nicht geschlossen werden, dass Aufwendungen unabhängig von der Regelung des § 20 Abs. 9 EStG stets dem vollen Werbungskostenabzug unterliegen, sofern aus der Kapitalanlage jedenfalls nach 2009 keine Erträge fließen (Anschluss an BFH-Urteile vom 2.Dezember 2014, VIII R 34/13, BFHE 248, 51, BStBl II 2015, 387, BFH/PR 2015, 195 und vom 1.Juli 2014, VIII R 53/12, BFHE 246, 332, BStBl II 2014, 975, BFH/PR 2015, 11).
Normenkette
§ 20 Abs. 9 Satz 1, § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war zu 50 % an der X-GmbH beteiligt, für deren Verbindlichkeiten er Bürgschaften übernommen hatte. Über das Vermögen der GmbH wurde Ende des Jahres 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das FA erkannte in diesem Zusammenhang im Jahre 2005 einen Auflösungsverlust i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG a.F. an. Es berücksichtigte die für die Darlehen gezahlten Schuldzinsen in den Jahren 2005 bis 2008 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. In der Einkommensteuererklärung 2010 machte der Kläger Zinszahlungen für die Darlehensverbindlichkeiten als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Diese standen mit der aufgelösten GmbH im Zusammenhang. Das FA lehnte deren Berücksichtigung aufgrund des ab 2009 geltenden Werbungskostenabzugsverbots gemäß § 20 Abs. 9 EStG ab. Das FG (NiedersächsischesFG, Urteil vom 22.6.2015, 7K19/13, Haufe-Index 9305868, EFG2016,641) gab der hiergegen erhobenen Klage statt.
Entscheidung
Der BFH hat der Revision des FA stattgegeben, das FG Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Hinweis
1. Der BFH hat an seiner Linie festgehalten, dass auch nachträglich entstandene Werbungskosten, deren Begründung vor dem 1.1.2008 liegt, aufgrund des Abzugsverbots des § 20 Abs. 9 EStGnicht abziehbar sind. Dies gilt auch dann, wenn keine Erträge mehr aus der Beteiligung fließen. Zwar ist das Werbungskostenabzugsverbot nach der Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG für "nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge" anwendbar. Der BFH hat jedoch bereits in einem früheren Urteil entschieden (BFH, Urteil vom 1.7.2014, VIII R 53/12, BFH/NV 2014, 138, BFH/PR 2015, 11, BFHE 246, 332, BStBl II 2014, 975), dass daraus nicht geschlossen werden kann, dass nachträgliche Werbungskosten entgegen § 20 Abs. 9 EStG voll abziehbar sind. Dies hat er damit begründet, dass die Übergangsregelung zu Fallkonstellationen, in denen nach dem 31.12.2008 keine Kapitalerträge mehr zufließen, keine Aussage trifft. Zudem bezieht sich § 20 Abs. 9 EStG nicht auf zufließende Kapitalerträge, sondern bestimmt, dass abgeflossene Werbungskosten – abgesehen vom Sparer-Pauschbetrag – bei der Ermittlung der Kapitaleinkünfte nicht abgezogen werden dürfen.
2. Der BFH hält das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG für nachträglich entstandene Werbungskosten auch für verfassungsgemäß (vgl. BFH, Urteil vom 21.10.2014, VIII R 48/12, BFH/NV 2015, 552, BFH/PR 2015, 196, in BFHE 247, 548, BStBl II 2015, 270; BFH, Urteil vom 2.12.2014, VIII R 34/13, BFH/NV 2015, 570, BFH/PR 2015, 195, BFHE 248, 51, BStBl II 2015, 387). Die von dem Kläger vertretene Auffassung würde zu Ungleichbehandlungen und Systembrüchen führen. Wenn Steuerpflichtige, die nach der Einführung der Abgeltungsteuer eine fremdfinanzierte Kapitalanlage erworben haben, dem Abzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG unterliegen, muss dies auch für Steuerpflichtige gelten, die ihre Beteiligung vor der Einführung der Abgeltungsteuer am 1.1.2008 erworben haben.
3. Darauf hinzuweisen ist, dass das BVerfG die Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil vom 21.10.2014 nicht zur Entscheidung angenommen hat (BVerfG, Beschluss vom 24.3.2016, 2BvR 878/15, BFHE 248, 51, BStBl II 2015, 387). Damit ist zwar noch nicht das letzte Wort gesprochen, da die Gründe für die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde nicht bekannt sind. Jedoch konnte der Vorstoß des FG im vorliegenden Fall mangels neuer Argumente keinen Erfolg haben. Der BFH hat erwartungsgemäß an seiner gefestigten Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des § 20 Abs. 9 EStG festgehalten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.2.2018 – VIII R 41/15