Leitsatz
1. Die Grundsätze, die die neuere Rechtsprechung des BFH zum Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage im Rahmen der Betriebsaufspaltung entwickelt hat, gelten auch im Bereich der Betriebsveräußerung und -aufgabe.
2. Die frühere einkommensteuerliche Tarifbegünstigung einer Teilanteilsveräußerung bleibt nicht deswegen erhalten, weil der Wert des Anteils am Sonderbetriebsvermögen, der nach der Rechtsprechung des BFH hätte mitveräußert werden müssen, lediglich 10 % des für den Teilanteil erzielten Veräußerungspreises beträgt.
Normenkette
§§ 16, 18 Abs. 3, 34 EStG
Sachverhalt
Eine zweigliedrige Freiberufler-Sozietät nahm 1997 gegen Zahlung eines Kaufpreises einen dritten Sozius auf. Die meisten Praxisräume der Sozietät befanden sich auf einem Grundstück, an dem der eine Altgesellschafter und jetzige Kläger zu 1/3 beteiligt war.
Weil der neue Sozius nicht auch Anteile an dem Grundstück erhalten hatte, behandelte das FA den Veräußerungsgewinn des Klägers nicht als tarifbegünstigt. Das FG hielt diese Handhabung für richtig.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Das Praxisgebäude sei wesentliche Betriebsgrundlage der Sozietät, denn es sei für die Praxis errichtet worden. Der Miteigentumsanteil des Klägers habe also zu dessen Sonderbetriebsvermögen gehört. Die tarifbegünstigte Übertragung eines Teilanteils hätte das Sonderbetriebsvermögen einschließen müssen.
Rechtlich wäre eine Beteiligung des neuen Sozius am Grundstück zumindest in der Form einer Unterbeteiligung möglich gewesen. Auf die Mitübertragung des Sonderbetriebsvermögens hätte auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Geringfügigkeit verzichtet werden können.
Hinweis
1. Die Entscheidung setzt die Linie des BFH fort, Teilanteilsveräußerungen vor dem 1.1.2002 weiter als tarifbegünstigt zu behandeln (s. BFH, Urteil vom 16.9.2004, IV R 11/03, BFH-PR 2005, 56). Erst mit In-Kraft-Treten des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20.12.2001 ist die Tarifbegünstigung entfallen.
Aber auch nach damaliger Rechtslage war nur eine "ganze" Teilanteilsveräußerung begünstigt. Darunter versteht der BFH die Veräußerung des Bruchteils am Gesellschaftsvermögen und zugleich eines entsprechenden Teils des Sonderbetriebsvermögens.
2. Wie beim ganzen Mitunternehmeranteil muss auch beim Teilanteil nur solches Sonderbetriebsvermögen mit übertragen werden, das aus der Sicht der Gesellschaft eine wesentliche Betriebsgrundlage ist. Der BFH versteht darunter im Zusammenhang mit Veräußerungsvorgängen Wirtschaftsgüter, die entweder funktional wesentlich sind oder erhebliche stille Reserven enthalten. Ein Betriebsgrundstück wird – ähnlich wie im Fall der Betriebsaufspaltung – jedenfalls dann als funktional wesentlich angesehen, wenn das Gebäude für die betriebliche Nutzung errichtet worden ist.
3. Neuigkeitswert hat die Entscheidung in zweierlei Hinsicht:
a) Der BFH lässt das Argument nicht gelten, das Sonderbetriebsvermögen in Gestalt eines Miteigentumsanteils sei wegen der erforderlichen Mitwirkung der anderen Miteigentümer nicht verkehrsfähig. Notfalls muss nach Meinung des BFH eine Unterbeteiligung eingeräumt werden.
b) Eine Geringfügigkeitsgrenze in Bezug auf den Wert des Sonderbetriebsvermögens im Verhältnis zum übertragenen Gesellschaftsanteil wird nicht anerkannt. Allenfalls zieht der BFH in Betracht, einen sehr kleinen Miteigentumsanteil wegen Geringfügigkeit nicht zu berücksichtigen. Die Frage war im Besprechungsfall nicht abschließend zu entscheiden, weil der Kläger mit 1/3 eindeutig nicht nur geringfügig am Betriebsgrundstück beteiligt war.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.11.2005, IV R 7/05